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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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noch seine Nase rieb, Ihr müßt Euch verpflich¬
ten, den Stadthexenmeister Pineiß, Euren Nach¬
bar, zu heirathen auf die Weise, wie wir Euch
sagen werden, und ihn nicht mehr zu verlassen!"
Da fing die Hexe wieder an zu zappeln und
zu prusten wie der Teufel, und die Eule sagte:
"Sie will nicht d'ran!" Spiegel aber sagte:
"Wenn Ihr nicht ruhig seid und Alles thut,
was wir wünschen, so hängen wir das Garn
sammt seinem Inhalte da vorn an den Dra¬
chenkopf der Dachtraufe, nach der Straße zu,
daß man Euch morgen sieht und die Hexe er¬
kennt! Sagt also: Wollt Ihr lieber unter dem
Vorsitze des Herrn Pineiß gebraten werden, oder
ihn braten, indem Ihr ihn heirathet?"

Da sagte die Hexe mit einem Seufzer: "So
sprecht, wie meint Ihr die Sache?" Und Spie¬
gel setzte ihr Alles zierlich auseinander, wie es
gemeint sei und was sie zu thun hätte. "Das
ist allenfalls noch auszuhalten, wenn es nicht
anders sein kann!" sagte sie und ergab sich un¬
ter den stärksten Formeln, die eine Hexe binden
können. Da thaten die Thiere das Gefängniß
auf und ließen sie heraus. Sie bestieg sogleich

noch ſeine Naſe rieb, Ihr müßt Euch verpflich¬
ten, den Stadthexenmeiſter Pineiß, Euren Nach¬
bar, zu heirathen auf die Weiſe, wie wir Euch
ſagen werden, und ihn nicht mehr zu verlaſſen!«
Da fing die Hexe wieder an zu zappeln und
zu pruſten wie der Teufel, und die Eule ſagte:
»Sie will nicht d'ran!« Spiegel aber ſagte:
»Wenn Ihr nicht ruhig ſeid und Alles thut,
was wir wünſchen, ſo hängen wir das Garn
ſammt ſeinem Inhalte da vorn an den Dra¬
chenkopf der Dachtraufe, nach der Straße zu,
daß man Euch morgen ſieht und die Hexe er¬
kennt! Sagt alſo: Wollt Ihr lieber unter dem
Vorſitze des Herrn Pineiß gebraten werden, oder
ihn braten, indem Ihr ihn heirathet?«

Da ſagte die Hexe mit einem Seufzer: »So
ſprecht, wie meint Ihr die Sache?« Und Spie¬
gel ſetzte ihr Alles zierlich auseinander, wie es
gemeint ſei und was ſie zu thun hätte. »Das
iſt allenfalls noch auszuhalten, wenn es nicht
anders ſein kann!« ſagte ſie und ergab ſich un¬
ter den ſtärkſten Formeln, die eine Hexe binden
können. Da thaten die Thiere das Gefängniß
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[519/0531] noch ſeine Naſe rieb, Ihr müßt Euch verpflich¬ ten, den Stadthexenmeiſter Pineiß, Euren Nach¬ bar, zu heirathen auf die Weiſe, wie wir Euch ſagen werden, und ihn nicht mehr zu verlaſſen!« Da fing die Hexe wieder an zu zappeln und zu pruſten wie der Teufel, und die Eule ſagte: »Sie will nicht d'ran!« Spiegel aber ſagte: »Wenn Ihr nicht ruhig ſeid und Alles thut, was wir wünſchen, ſo hängen wir das Garn ſammt ſeinem Inhalte da vorn an den Dra¬ chenkopf der Dachtraufe, nach der Straße zu, daß man Euch morgen ſieht und die Hexe er¬ kennt! Sagt alſo: Wollt Ihr lieber unter dem Vorſitze des Herrn Pineiß gebraten werden, oder ihn braten, indem Ihr ihn heirathet?« Da ſagte die Hexe mit einem Seufzer: »So ſprecht, wie meint Ihr die Sache?« Und Spie¬ gel ſetzte ihr Alles zierlich auseinander, wie es gemeint ſei und was ſie zu thun hätte. »Das iſt allenfalls noch auszuhalten, wenn es nicht anders ſein kann!« ſagte ſie und ergab ſich un¬ ter den ſtärkſten Formeln, die eine Hexe binden können. Da thaten die Thiere das Gefängniß auf und ließen ſie heraus. Sie beſtieg ſogleich

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/531>, abgerufen am 30.04.2024.