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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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gesäet, immer mein und mein vom Morgen bis
zu Abend. Manche sagen sogar: ich habe meine
Wäsche die nächste Woche, ich muß meine Bet¬
ten sonnen, ich muß eine Magd dingen und
einen neuen Metzger haben, denn den alten will
ich abschaffen; ich habe ein allerliebstes Waffel¬
eisen erstanden, durch Zufall, und habe mein
silbernes Zimmetbüchschen verkauft, es war mir
so nichts nütze; alles das sind wohlverstanden
die Sachen der Frau, und so verbringt ein sol¬
cher Kerl die Zeit und stiehlt unserm Herrgott
den Tag ab, indem er alle diese Verrichtungen
aufzählt, ohne einen Streich zu thun. Wenn es
hoch kommt und ein solcher Patron sich etwa
ducken muß, so wird er vielleicht sagen: unsere
Kühe und unsere Schweine, aber --" Pineiß
riß den Spiegel an der Schnur, daß er miau!
schrie, und rief: "Genug, Du Plappermaul!
Sag' jetzt unverzüglich: wo ist sie, von der Du
weißt?" Denn die Aufzählung aller dieser Herr¬
lichkeiten und Verrichtungen, die mit einem
Weibergute verbunden sind, hatte dem dürren
Hexenmeister den Mund nur noch wässeriger
gemacht. Spiegel sagte erstaunt: "Wollt Ihr

geſäet, immer mein und mein vom Morgen bis
zu Abend. Manche ſagen ſogar: ich habe meine
Wäſche die nächſte Woche, ich muß meine Bet¬
ten ſonnen, ich muß eine Magd dingen und
einen neuen Metzger haben, denn den alten will
ich abſchaffen; ich habe ein allerliebſtes Waffel¬
eiſen erſtanden, durch Zufall, und habe mein
ſilbernes Zimmetbüchschen verkauft, es war mir
ſo nichts nütze; alles das ſind wohlverſtanden
die Sachen der Frau, und ſo verbringt ein ſol¬
cher Kerl die Zeit und ſtiehlt unſerm Herrgott
den Tag ab, indem er alle dieſe Verrichtungen
aufzählt, ohne einen Streich zu thun. Wenn es
hoch kommt und ein ſolcher Patron ſich etwa
ducken muß, ſo wird er vielleicht ſagen: unſere
Kühe und unſere Schweine, aber —« Pineiß
riß den Spiegel an der Schnur, daß er miau!
ſchrie, und rief: »Genug, Du Plappermaul!
Sag' jetzt unverzüglich: wo iſt ſie, von der Du
weißt?« Denn die Aufzählung aller dieſer Herr¬
lichkeiten und Verrichtungen, die mit einem
Weibergute verbunden ſind, hatte dem dürren
Hexenmeiſter den Mund nur noch wäſſeriger
gemacht. Spiegel ſagte erſtaunt: »Wollt Ihr

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[504/0516] geſäet, immer mein und mein vom Morgen bis zu Abend. Manche ſagen ſogar: ich habe meine Wäſche die nächſte Woche, ich muß meine Bet¬ ten ſonnen, ich muß eine Magd dingen und einen neuen Metzger haben, denn den alten will ich abſchaffen; ich habe ein allerliebſtes Waffel¬ eiſen erſtanden, durch Zufall, und habe mein ſilbernes Zimmetbüchschen verkauft, es war mir ſo nichts nütze; alles das ſind wohlverſtanden die Sachen der Frau, und ſo verbringt ein ſol¬ cher Kerl die Zeit und ſtiehlt unſerm Herrgott den Tag ab, indem er alle dieſe Verrichtungen aufzählt, ohne einen Streich zu thun. Wenn es hoch kommt und ein ſolcher Patron ſich etwa ducken muß, ſo wird er vielleicht ſagen: unſere Kühe und unſere Schweine, aber —« Pineiß riß den Spiegel an der Schnur, daß er miau! ſchrie, und rief: »Genug, Du Plappermaul! Sag' jetzt unverzüglich: wo iſt ſie, von der Du weißt?« Denn die Aufzählung aller dieſer Herr¬ lichkeiten und Verrichtungen, die mit einem Weibergute verbunden ſind, hatte dem dürren Hexenmeiſter den Mund nur noch wäſſeriger gemacht. Spiegel ſagte erſtaunt: »Wollt Ihr

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/516>, abgerufen am 30.04.2024.