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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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schon ausgespürt; aber mit dem Mann, der sie
unter diesen schwierigen Umständen heirathen
möchte, da hapert es eben; denn heutzutage
muß die Schönheit obenein vergoldet sein, wie
die Weihnachtsnüsse, und je hohler die Köpfe
werden, desto mehr sind sie bestrebt, die Leere
mit einigem Weibergut nachzufüllen, damit sie
die Zeit besser zu verbringen vermögen; da wird
dann mit wichtigem Gesicht ein Pferd besehen
und ein Stück Sammet gekauft, mit Laufen und
Rennen eine gute Armbrust bestellt, und der
Büchsenschmied kommt nicht aus dem Hause;
da heißt es, ich muß meinen Wein einheimsen
und meine Fässer putzen, meine Bäume putzen
lassen und mein Dach decken! ich muß meine
Frau in's Bad schicken, sie kränkelt und kostet
mich viel Geld, und muß mein Holz fahren
lassen und mein Ausstehendes eintreiben; ich
habe ein Paar Windspiele gekauft und meine
Bracken vertauscht, ich habe einen schönen eiche¬
nen Ausziehtisch eingehandelt und meine große
Nußbaumlade dran gegeben; ich habe meine
Bohnenstangen geschnitten, meinen Gärtner fort¬
gejagt, mein Heu verkauft und meinen Salat

ſchon ausgeſpürt; aber mit dem Mann, der ſie
unter dieſen ſchwierigen Umſtänden heirathen
möchte, da hapert es eben; denn heutzutage
muß die Schönheit obenein vergoldet ſein, wie
die Weihnachtsnüſſe, und je hohler die Köpfe
werden, deſto mehr ſind ſie beſtrebt, die Leere
mit einigem Weibergut nachzufüllen, damit ſie
die Zeit beſſer zu verbringen vermögen; da wird
dann mit wichtigem Geſicht ein Pferd beſehen
und ein Stück Sammet gekauft, mit Laufen und
Rennen eine gute Armbruſt beſtellt, und der
Büchſenſchmied kommt nicht aus dem Hauſe;
da heißt es, ich muß meinen Wein einheimſen
und meine Fäſſer putzen, meine Bäume putzen
laſſen und mein Dach decken! ich muß meine
Frau in's Bad ſchicken, ſie kränkelt und koſtet
mich viel Geld, und muß mein Holz fahren
laſſen und mein Ausſtehendes eintreiben; ich
habe ein Paar Windſpiele gekauft und meine
Bracken vertauſcht, ich habe einen ſchönen eiche¬
nen Ausziehtiſch eingehandelt und meine große
Nußbaumlade dran gegeben; ich habe meine
Bohnenſtangen geſchnitten, meinen Gärtner fort¬
gejagt, mein Heu verkauft und meinen Salat

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[503/0515] ſchon ausgeſpürt; aber mit dem Mann, der ſie unter dieſen ſchwierigen Umſtänden heirathen möchte, da hapert es eben; denn heutzutage muß die Schönheit obenein vergoldet ſein, wie die Weihnachtsnüſſe, und je hohler die Köpfe werden, deſto mehr ſind ſie beſtrebt, die Leere mit einigem Weibergut nachzufüllen, damit ſie die Zeit beſſer zu verbringen vermögen; da wird dann mit wichtigem Geſicht ein Pferd beſehen und ein Stück Sammet gekauft, mit Laufen und Rennen eine gute Armbruſt beſtellt, und der Büchſenſchmied kommt nicht aus dem Hauſe; da heißt es, ich muß meinen Wein einheimſen und meine Fäſſer putzen, meine Bäume putzen laſſen und mein Dach decken! ich muß meine Frau in's Bad ſchicken, ſie kränkelt und koſtet mich viel Geld, und muß mein Holz fahren laſſen und mein Ausſtehendes eintreiben; ich habe ein Paar Windſpiele gekauft und meine Bracken vertauſcht, ich habe einen ſchönen eiche¬ nen Ausziehtiſch eingehandelt und meine große Nußbaumlade dran gegeben; ich habe meine Bohnenſtangen geſchnitten, meinen Gärtner fort¬ gejagt, mein Heu verkauft und meinen Salat

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/515>, abgerufen am 30.04.2024.