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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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und her eilend nach dem Garten trug und dort
unter bitteren Thränen in den tiefen Brunnen
warf und einen Fluch darüber aussprach, daß
er niemals Jemand anderm angehören solle."

Als Spiegel soweit erzählt hatte, sagte
Pineiß: "Und liegt das schöne Geld noch in
dem Brunnen?" "Ja, wo sollte es sonst liegen?"
antwortete Spiegel, "denn nur ich kann es
herausbringen und habe es bis zur Stunde noch
nicht gethan!" "Ei ja so, richtig! sagte Pineiß,
"ich habe es ganz vergessen über Deiner Ge¬
schichte! Du kannst nicht übel erzählen, Du
Sapperlöter! und es ist mir ganz gelüstig
worden nach einem Weibchen, die so für mich
eingenommen wäre; aber sehr schön müßte sie
sein! Doch erzähle jetzt schnell noch, wie die
Sache eigentlich zusammenhängt!" "Es dauerte
manche Jahre, sagte Spiegel, bis das Fräulein
aus bittern Seelenleiden so weit zu sich kam,
daß sie anfangen konnte, die stille alte Jungfer
zu werden, als welche ich sie kennen lernte.
Ich darf mich berühmen, daß ich ihr einziger
Trost und ihr vertrautester Freund geworden bin
in ihrem einsamen Leben bis an ihr stilles Ende.

und her eilend nach dem Garten trug und dort
unter bitteren Thränen in den tiefen Brunnen
warf und einen Fluch darüber ausſprach, daß
er niemals Jemand anderm angehören ſolle.«

Als Spiegel ſoweit erzählt hatte, ſagte
Pineiß: »Und liegt das ſchöne Geld noch in
dem Brunnen?« »Ja, wo ſollte es ſonſt liegen?«
antwortete Spiegel, »denn nur ich kann es
herausbringen und habe es bis zur Stunde noch
nicht gethan!« »Ei ja ſo, richtig! ſagte Pineiß,
»ich habe es ganz vergeſſen über Deiner Ge¬
ſchichte! Du kannſt nicht übel erzählen, Du
Sapperlöter! und es iſt mir ganz gelüſtig
worden nach einem Weibchen, die ſo für mich
eingenommen wäre; aber ſehr ſchön müßte ſie
ſein! Doch erzähle jetzt ſchnell noch, wie die
Sache eigentlich zuſammenhängt!« »Es dauerte
manche Jahre, ſagte Spiegel, bis das Fräulein
aus bittern Seelenleiden ſo weit zu ſich kam,
daß ſie anfangen konnte, die ſtille alte Jungfer
zu werden, als welche ich ſie kennen lernte.
Ich darf mich berühmen, daß ich ihr einziger
Troſt und ihr vertrauteſter Freund geworden bin
in ihrem einſamen Leben bis an ihr ſtilles Ende.

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[498/0510] und her eilend nach dem Garten trug und dort unter bitteren Thränen in den tiefen Brunnen warf und einen Fluch darüber ausſprach, daß er niemals Jemand anderm angehören ſolle.« Als Spiegel ſoweit erzählt hatte, ſagte Pineiß: »Und liegt das ſchöne Geld noch in dem Brunnen?« »Ja, wo ſollte es ſonſt liegen?« antwortete Spiegel, »denn nur ich kann es herausbringen und habe es bis zur Stunde noch nicht gethan!« »Ei ja ſo, richtig! ſagte Pineiß, »ich habe es ganz vergeſſen über Deiner Ge¬ ſchichte! Du kannſt nicht übel erzählen, Du Sapperlöter! und es iſt mir ganz gelüſtig worden nach einem Weibchen, die ſo für mich eingenommen wäre; aber ſehr ſchön müßte ſie ſein! Doch erzähle jetzt ſchnell noch, wie die Sache eigentlich zuſammenhängt!« »Es dauerte manche Jahre, ſagte Spiegel, bis das Fräulein aus bittern Seelenleiden ſo weit zu ſich kam, daß ſie anfangen konnte, die ſtille alte Jungfer zu werden, als welche ich ſie kennen lernte. Ich darf mich berühmen, daß ich ihr einziger Troſt und ihr vertrauteſter Freund geworden bin in ihrem einſamen Leben bis an ihr ſtilles Ende.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/510>, abgerufen am 30.04.2024.