dern stellte vor den Augen des aufmerksamen Katers alle Geschirre zurecht und machte ein helles Feuer auf dem Heerd, um den lang er¬ sehnten Gewinn auszukochen. Dann wetzte er ein großes Messer, öffnete den Kerker, zog Spie¬ gelchen hervor, nachdem er die Küchenthüre wohl verschlossen, und sagte wohlgemuth: "Komm, Du Sapperlöter! wir wollen Dir den Kopf abschnei¬ den vor der Hand, und dann das Fell abzie¬ hen! Dieses wird eine warme Mütze für mich geben, woran ich Einfältiger noch gar nicht ge¬ dacht habe! Oder soll ich Dir erst das Fell ab¬ ziehen und dann den Kopf abschneiden?" "Nein, wenn es Euch gefällig ist, sagte Spiegel de¬ müthig, lieber zuerst den Kopf abschneiden!" "Hast Recht, Du armer Kerl!" sagte Herr Pi¬ neiß, "wir wollen Dich nicht unnütz quälen! Alles was Recht ist!" "Dies ist ein wahres Wort!" sagte Spiegel mit einem erbärmlichen Seufzer und legte das Haupt ergebungsvoll auf die Seite, "o hätt' ich doch jederzeit gethan, was Recht ist, und nicht eine so wichtige Sache leichtsinnig unterlassen, so könnte ich jetzt mit besserem Gewissen sterben, denn ich sterbe gern;
dern ſtellte vor den Augen des aufmerkſamen Katers alle Geſchirre zurecht und machte ein helles Feuer auf dem Heerd, um den lang er¬ ſehnten Gewinn auszukochen. Dann wetzte er ein großes Meſſer, öffnete den Kerker, zog Spie¬ gelchen hervor, nachdem er die Küchenthüre wohl verſchloſſen, und ſagte wohlgemuth: »Komm, Du Sapperlöter! wir wollen Dir den Kopf abſchnei¬ den vor der Hand, und dann das Fell abzie¬ hen! Dieſes wird eine warme Mütze für mich geben, woran ich Einfältiger noch gar nicht ge¬ dacht habe! Oder ſoll ich Dir erſt das Fell ab¬ ziehen und dann den Kopf abſchneiden?« »Nein, wenn es Euch gefällig iſt, ſagte Spiegel de¬ müthig, lieber zuerſt den Kopf abſchneiden!« »Haſt Recht, Du armer Kerl!« ſagte Herr Pi¬ neiß, »wir wollen Dich nicht unnütz quälen! Alles was Recht iſt!« »Dies iſt ein wahres Wort!« ſagte Spiegel mit einem erbärmlichen Seufzer und legte das Haupt ergebungsvoll auf die Seite, »o hätt' ich doch jederzeit gethan, was Recht iſt, und nicht eine ſo wichtige Sache leichtſinnig unterlaſſen, ſo könnte ich jetzt mit beſſerem Gewiſſen ſterben, denn ich ſterbe gern;
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0485"n="473"/>
dern ſtellte vor den Augen des aufmerkſamen<lb/>
Katers alle Geſchirre zurecht und machte ein<lb/>
helles Feuer auf dem Heerd, um den lang er¬<lb/>ſehnten Gewinn auszukochen. Dann wetzte er<lb/>
ein großes Meſſer, öffnete den Kerker, zog Spie¬<lb/>
gelchen hervor, nachdem er die Küchenthüre wohl<lb/>
verſchloſſen, und ſagte wohlgemuth: »Komm, Du<lb/>
Sapperlöter! wir wollen Dir den Kopf abſchnei¬<lb/>
den vor der Hand, und dann das Fell abzie¬<lb/>
hen! Dieſes wird eine warme Mütze für mich<lb/>
geben, woran ich Einfältiger noch gar nicht ge¬<lb/>
dacht habe! Oder ſoll ich Dir erſt das Fell ab¬<lb/>
ziehen und dann den Kopf abſchneiden?« »Nein,<lb/>
wenn es Euch gefällig iſt, ſagte Spiegel de¬<lb/>
müthig, lieber zuerſt den Kopf abſchneiden!«<lb/>
»Haſt Recht, Du armer Kerl!« ſagte Herr Pi¬<lb/>
neiß, »wir wollen Dich nicht unnütz quälen!<lb/>
Alles was Recht iſt!« »Dies iſt ein wahres<lb/>
Wort!« ſagte Spiegel mit einem erbärmlichen<lb/>
Seufzer und legte das Haupt ergebungsvoll auf<lb/>
die Seite, »o hätt' ich doch jederzeit gethan,<lb/>
was Recht iſt, und nicht eine ſo wichtige Sache<lb/>
leichtſinnig unterlaſſen, ſo könnte ich jetzt mit<lb/>
beſſerem Gewiſſen ſterben, denn ich ſterbe gern;<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[473/0485]
dern ſtellte vor den Augen des aufmerkſamen
Katers alle Geſchirre zurecht und machte ein
helles Feuer auf dem Heerd, um den lang er¬
ſehnten Gewinn auszukochen. Dann wetzte er
ein großes Meſſer, öffnete den Kerker, zog Spie¬
gelchen hervor, nachdem er die Küchenthüre wohl
verſchloſſen, und ſagte wohlgemuth: »Komm, Du
Sapperlöter! wir wollen Dir den Kopf abſchnei¬
den vor der Hand, und dann das Fell abzie¬
hen! Dieſes wird eine warme Mütze für mich
geben, woran ich Einfältiger noch gar nicht ge¬
dacht habe! Oder ſoll ich Dir erſt das Fell ab¬
ziehen und dann den Kopf abſchneiden?« »Nein,
wenn es Euch gefällig iſt, ſagte Spiegel de¬
müthig, lieber zuerſt den Kopf abſchneiden!«
»Haſt Recht, Du armer Kerl!« ſagte Herr Pi¬
neiß, »wir wollen Dich nicht unnütz quälen!
Alles was Recht iſt!« »Dies iſt ein wahres
Wort!« ſagte Spiegel mit einem erbärmlichen
Seufzer und legte das Haupt ergebungsvoll auf
die Seite, »o hätt' ich doch jederzeit gethan,
was Recht iſt, und nicht eine ſo wichtige Sache
leichtſinnig unterlaſſen, ſo könnte ich jetzt mit
beſſerem Gewiſſen ſterben, denn ich ſterbe gern;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/485>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.