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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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will ich mich ein wenig ausruhen und trachten,
daß ich durch Beschaulichkeit und gute Nahrung
wieder zu vernünftigen Gedanken komme! Alles
hat seine Zeit! Heute ein Bischen Leidenschaft,
morgen ein wenig Besonnenheit und Ruhe, ist
jedes in seiner Weise gut. Dies Gefängniß
ist gar nicht so übel und es läßt sich gewiß
etwas Ersprießliches darin ausdenken!" Pineiß
aber nahm sich nun zusammen und bereitete alle
Tage mit aller seiner Kunst solche Leckerbissen,
und in solch reizender Abwechslung und Zuträg¬
lichkeit, daß der gefangene Spiegel denselben
nicht widerstehen konnte; denn Pineißens Vor¬
rath an freiwilligem und rechtmäßigem Katzen¬
schmeer nahm alle Tage mehr ab und drohte
nächstens ganz auszugehen, und dann war der
Hexer ohne dies Hauptmittel ein geschlagener
Mann. Aber der gute Hexenmeister nährte mit
dem Leibe Spiegels dessen Geist immer wieder
mit, und es war durchaus nicht von dieser un¬
bequemen Zuthat loszukommen, weshalb auch
seine Hexerei sich hier als lückenhaft erwies.

Als Spiegel in seinem Käfig ihm endlich
fett genug dünkte, säumte er nicht länger, son¬

will ich mich ein wenig ausruhen und trachten,
daß ich durch Beſchaulichkeit und gute Nahrung
wieder zu vernünftigen Gedanken komme! Alles
hat ſeine Zeit! Heute ein Bischen Leidenſchaft,
morgen ein wenig Beſonnenheit und Ruhe, iſt
jedes in ſeiner Weiſe gut. Dies Gefängniß
iſt gar nicht ſo übel und es läßt ſich gewiß
etwas Erſprießliches darin ausdenken!« Pineiß
aber nahm ſich nun zuſammen und bereitete alle
Tage mit aller ſeiner Kunſt ſolche Leckerbiſſen,
und in ſolch reizender Abwechslung und Zuträg¬
lichkeit, daß der gefangene Spiegel denſelben
nicht widerſtehen konnte; denn Pineißens Vor¬
rath an freiwilligem und rechtmäßigem Katzen¬
ſchmeer nahm alle Tage mehr ab und drohte
nächſtens ganz auszugehen, und dann war der
Hexer ohne dies Hauptmittel ein geſchlagener
Mann. Aber der gute Hexenmeiſter nährte mit
dem Leibe Spiegels deſſen Geiſt immer wieder
mit, und es war durchaus nicht von dieſer un¬
bequemen Zuthat loszukommen, weshalb auch
ſeine Hexerei ſich hier als lückenhaft erwies.

Als Spiegel in ſeinem Käfig ihm endlich
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[472/0484] will ich mich ein wenig ausruhen und trachten, daß ich durch Beſchaulichkeit und gute Nahrung wieder zu vernünftigen Gedanken komme! Alles hat ſeine Zeit! Heute ein Bischen Leidenſchaft, morgen ein wenig Beſonnenheit und Ruhe, iſt jedes in ſeiner Weiſe gut. Dies Gefängniß iſt gar nicht ſo übel und es läßt ſich gewiß etwas Erſprießliches darin ausdenken!« Pineiß aber nahm ſich nun zuſammen und bereitete alle Tage mit aller ſeiner Kunſt ſolche Leckerbiſſen, und in ſolch reizender Abwechslung und Zuträg¬ lichkeit, daß der gefangene Spiegel denſelben nicht widerſtehen konnte; denn Pineißens Vor¬ rath an freiwilligem und rechtmäßigem Katzen¬ ſchmeer nahm alle Tage mehr ab und drohte nächſtens ganz auszugehen, und dann war der Hexer ohne dies Hauptmittel ein geſchlagener Mann. Aber der gute Hexenmeiſter nährte mit dem Leibe Spiegels deſſen Geiſt immer wieder mit, und es war durchaus nicht von dieſer un¬ bequemen Zuthat loszukommen, weshalb auch ſeine Hexerei ſich hier als lückenhaft erwies. Als Spiegel in ſeinem Käfig ihm endlich fett genug dünkte, ſäumte er nicht länger, ſon¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/484>, abgerufen am 22.11.2024.