Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

ging, und habe stets meine Pflicht auf eine ein¬
sichtsvolle Weise gethan. Ich kann arbeiten, so
viel ich will, und es schadet mir nichts, da ich
gesund und wohlauf bin und in den besten Jah¬
ren! Alle meine Meisterinnen haben noch gesagt,
ich sei ein Tausendsmensch, ein Ausbund, und
mit mir sei gut auskommen! Ach! ich glaube
wirklich selbst, ich könnte leben wie im Himmel
mit Ihnen, allerliebste Jungfer Züs!"

"Ei!" sagte der Baier eifrig, "das glaub'
ich wohl, das wäre auch keine Kunst, mit der
Jungfer wie im Himmel zu leben! Das wollt'
ich mir auch zutrauen, denn ich bin nicht auf
den Kopf gefallen! Mein Handwerk versteh' ich
aus dem Grund und weiß die Dinge in Ord¬
nung zu halten, ohne ein Unwort zu verlieren.
Nirgends habe ich Händel bekommen, obgleich ich
in den größten Städten gearbeitet habe, und
niemals habe ich eine Katze geschlagen oder eine
Spinne getödtet. Ich bin mäßig und enthaltsam
und mit jeder Nahrung zufrieden, und ich weiß
mich am Geringfügigsten zu vergnügen und da¬
mit zufrieden zu sein. Aber ich bin auch gesund
und munter und kann etwas aushalten, ein gutes

ging, und habe ſtets meine Pflicht auf eine ein¬
ſichtsvolle Weiſe gethan. Ich kann arbeiten, ſo
viel ich will, und es ſchadet mir nichts, da ich
geſund und wohlauf bin und in den beſten Jah¬
ren! Alle meine Meiſterinnen haben noch geſagt,
ich ſei ein Tauſendsmenſch, ein Ausbund, und
mit mir ſei gut auskommen! Ach! ich glaube
wirklich ſelbſt, ich könnte leben wie im Himmel
mit Ihnen, allerliebſte Jungfer Züs!«

»Ei!« ſagte der Baier eifrig, »das glaub'
ich wohl, das wäre auch keine Kunſt, mit der
Jungfer wie im Himmel zu leben! Das wollt'
ich mir auch zutrauen, denn ich bin nicht auf
den Kopf gefallen! Mein Handwerk verſteh' ich
aus dem Grund und weiß die Dinge in Ord¬
nung zu halten, ohne ein Unwort zu verlieren.
Nirgends habe ich Händel bekommen, obgleich ich
in den größten Städten gearbeitet habe, und
niemals habe ich eine Katze geſchlagen oder eine
Spinne getödtet. Ich bin mäßig und enthaltſam
und mit jeder Nahrung zufrieden, und ich weiß
mich am Geringfügigſten zu vergnügen und da¬
mit zufrieden zu ſein. Aber ich bin auch geſund
und munter und kann etwas aushalten, ein gutes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0436" n="424"/>
ging, und habe &#x017F;tets meine Pflicht auf eine ein¬<lb/>
&#x017F;ichtsvolle Wei&#x017F;e gethan. Ich kann arbeiten, &#x017F;o<lb/>
viel ich will, und es &#x017F;chadet mir nichts, da ich<lb/>
ge&#x017F;und und wohlauf bin und in den be&#x017F;ten Jah¬<lb/>
ren! Alle meine Mei&#x017F;terinnen haben noch ge&#x017F;agt,<lb/>
ich &#x017F;ei ein Tau&#x017F;endsmen&#x017F;ch, ein Ausbund, und<lb/>
mit mir &#x017F;ei gut auskommen! Ach! ich glaube<lb/>
wirklich &#x017F;elb&#x017F;t, ich könnte leben wie im Himmel<lb/>
mit Ihnen, allerlieb&#x017F;te Jungfer Züs!«</p><lb/>
        <p>»Ei!« &#x017F;agte der Baier eifrig, »das glaub'<lb/>
ich wohl, das wäre auch keine Kun&#x017F;t, mit der<lb/>
Jungfer wie im Himmel zu leben! Das wollt'<lb/>
ich mir auch zutrauen, denn ich bin nicht auf<lb/>
den Kopf gefallen! Mein Handwerk ver&#x017F;teh' ich<lb/>
aus dem Grund und weiß die Dinge in Ord¬<lb/>
nung zu halten, ohne ein Unwort zu verlieren.<lb/>
Nirgends habe ich Händel bekommen, obgleich ich<lb/>
in den größten Städten gearbeitet habe, und<lb/>
niemals habe ich eine Katze ge&#x017F;chlagen oder eine<lb/>
Spinne getödtet. Ich bin mäßig und enthalt&#x017F;am<lb/>
und mit jeder Nahrung zufrieden, und ich weiß<lb/>
mich am Geringfügig&#x017F;ten zu vergnügen und da¬<lb/>
mit zufrieden zu &#x017F;ein. Aber ich bin auch ge&#x017F;und<lb/>
und munter und kann etwas aushalten, ein gutes<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[424/0436] ging, und habe ſtets meine Pflicht auf eine ein¬ ſichtsvolle Weiſe gethan. Ich kann arbeiten, ſo viel ich will, und es ſchadet mir nichts, da ich geſund und wohlauf bin und in den beſten Jah¬ ren! Alle meine Meiſterinnen haben noch geſagt, ich ſei ein Tauſendsmenſch, ein Ausbund, und mit mir ſei gut auskommen! Ach! ich glaube wirklich ſelbſt, ich könnte leben wie im Himmel mit Ihnen, allerliebſte Jungfer Züs!« »Ei!« ſagte der Baier eifrig, »das glaub' ich wohl, das wäre auch keine Kunſt, mit der Jungfer wie im Himmel zu leben! Das wollt' ich mir auch zutrauen, denn ich bin nicht auf den Kopf gefallen! Mein Handwerk verſteh' ich aus dem Grund und weiß die Dinge in Ord¬ nung zu halten, ohne ein Unwort zu verlieren. Nirgends habe ich Händel bekommen, obgleich ich in den größten Städten gearbeitet habe, und niemals habe ich eine Katze geſchlagen oder eine Spinne getödtet. Ich bin mäßig und enthaltſam und mit jeder Nahrung zufrieden, und ich weiß mich am Geringfügigſten zu vergnügen und da¬ mit zufrieden zu ſein. Aber ich bin auch geſund und munter und kann etwas aushalten, ein gutes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/436
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/436>, abgerufen am 13.05.2024.