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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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und geheimen Fächern, den man in vielen Stücken
auseinander nehmen konnte. Mit den feinsten
farbigen und gepreßten Papieren war er beklebt
und überall mit Goldbördchen geziert. Spiegel¬
wände und Säulen wechselten ab und hob man
ein Stück ab oder öffnete ein Gelaß, so erblickte
man neue Spiegel und verborgene Bilderchen,
Blumenbouquets und liebende Pärchen; an den
ausgeschweiften Spitzen der Dächer hingen all¬
wärts kleine Glöcklein. Auch ein Uhrgehäuse
für eine Damenuhr war angebracht mit schönen
Häckchen an den Säulen, um die goldene Kette
daran zu henken und an dem Gebäude hin und
herzuschlängeln; aber bisjetzt hatte sich noch kein
Uhrenmacher genähert, welcher eine Uhr, und kein
Goldschmied, welcher eine Kette auf diesen Altar
gelegt hätte. Eine unendliche Mühe und Kunst¬
fertigkeit war an diesem sinnreichen Tempel ver¬
schwendet und der geometrische Plan nicht min¬
der mühevoll, als die saubere genaue Arbeit.
Als das Denkmal eines schön verlebten Jahrs
fertig war, ermunterte Züs Bünzlin den guten
Buchbinder, mit Bezwingung ihrer selbst, sich
nun loszureißen und seinen Stab weiter zu setzen,

und geheimen Fächern, den man in vielen Stücken
auseinander nehmen konnte. Mit den feinſten
farbigen und gepreßten Papieren war er beklebt
und überall mit Goldbördchen geziert. Spiegel¬
wände und Säulen wechſelten ab und hob man
ein Stück ab oder öffnete ein Gelaß, ſo erblickte
man neue Spiegel und verborgene Bilderchen,
Blumenbouquets und liebende Pärchen; an den
ausgeſchweiften Spitzen der Dächer hingen all¬
wärts kleine Glöcklein. Auch ein Uhrgehäuſe
für eine Damenuhr war angebracht mit ſchönen
Häckchen an den Säulen, um die goldene Kette
daran zu henken und an dem Gebäude hin und
herzuſchlängeln; aber bisjetzt hatte ſich noch kein
Uhrenmacher genähert, welcher eine Uhr, und kein
Goldſchmied, welcher eine Kette auf dieſen Altar
gelegt hätte. Eine unendliche Mühe und Kunſt¬
fertigkeit war an dieſem ſinnreichen Tempel ver¬
ſchwendet und der geometriſche Plan nicht min¬
der mühevoll, als die ſaubere genaue Arbeit.
Als das Denkmal eines ſchön verlebten Jahrs
fertig war, ermunterte Züs Bünzlin den guten
Buchbinder, mit Bezwingung ihrer ſelbſt, ſich
nun loszureißen und ſeinen Stab weiter zu ſetzen,

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[393/0405] und geheimen Fächern, den man in vielen Stücken auseinander nehmen konnte. Mit den feinſten farbigen und gepreßten Papieren war er beklebt und überall mit Goldbördchen geziert. Spiegel¬ wände und Säulen wechſelten ab und hob man ein Stück ab oder öffnete ein Gelaß, ſo erblickte man neue Spiegel und verborgene Bilderchen, Blumenbouquets und liebende Pärchen; an den ausgeſchweiften Spitzen der Dächer hingen all¬ wärts kleine Glöcklein. Auch ein Uhrgehäuſe für eine Damenuhr war angebracht mit ſchönen Häckchen an den Säulen, um die goldene Kette daran zu henken und an dem Gebäude hin und herzuſchlängeln; aber bisjetzt hatte ſich noch kein Uhrenmacher genähert, welcher eine Uhr, und kein Goldſchmied, welcher eine Kette auf dieſen Altar gelegt hätte. Eine unendliche Mühe und Kunſt¬ fertigkeit war an dieſem ſinnreichen Tempel ver¬ ſchwendet und der geometriſche Plan nicht min¬ der mühevoll, als die ſaubere genaue Arbeit. Als das Denkmal eines ſchön verlebten Jahrs fertig war, ermunterte Züs Bünzlin den guten Buchbinder, mit Bezwingung ihrer ſelbſt, ſich nun loszureißen und ſeinen Stab weiter zu ſetzen,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/405>, abgerufen am 27.11.2024.