schönen Morgens das Geschäft, wenn es gerade vakant würde, anzukaufen und ihn selbst zum Inhaber und Meister zu machen. Dies lag all' seinem Thun und Trachten zu Grunde, da er wohl bemerkt hatte, wie ein fleißiger und spar¬ samer Mann allhier wohl gedeihen müßte, ein Mann, welcher seinen eigenen stillen Weg ginge und von der Sorglosigkeit der Andern nur den Nutzen aber nicht die Nachtheile zu ziehen wüßte. Wenn er aber erst Meister wäre, dann wollte er bald so viel erworben haben, um sich auch einzubürgern, und dann erst gedachte er so klug und zweckmäßig zu leben, wie noch nie ein Bür¬ ger in Seldwyl, sich um gar nichts zu kümmern, was nicht seinen Wohlstand mehre, nicht einen Deut auszugeben, aber deren so viele als möglich an sich zu ziehen in dem leichtsinnigen Strudel dieser Stadt. Dieser Plan war eben so einfach als richtig und begreiflich, besonders da er ihn auch ganz gut und ausdauernd durchführte; denn er hatte schon ein hübsches Sümmchen zurückge¬ legt, welches er sorgfältig verwahrte und sicherer Berechnung nach mit der Zeit groß genug wer¬ den mußte zur Erreichung dieses Zieles. Aber
Keller, die Leute von Seldwyla. 24
ſchönen Morgens das Geſchäft, wenn es gerade vakant würde, anzukaufen und ihn ſelbſt zum Inhaber und Meiſter zu machen. Dies lag all' ſeinem Thun und Trachten zu Grunde, da er wohl bemerkt hatte, wie ein fleißiger und ſpar¬ ſamer Mann allhier wohl gedeihen müßte, ein Mann, welcher ſeinen eigenen ſtillen Weg ginge und von der Sorgloſigkeit der Andern nur den Nutzen aber nicht die Nachtheile zu ziehen wüßte. Wenn er aber erſt Meiſter wäre, dann wollte er bald ſo viel erworben haben, um ſich auch einzubürgern, und dann erſt gedachte er ſo klug und zweckmäßig zu leben, wie noch nie ein Bür¬ ger in Seldwyl, ſich um gar nichts zu kümmern, was nicht ſeinen Wohlſtand mehre, nicht einen Deut auszugeben, aber deren ſo viele als möglich an ſich zu ziehen in dem leichtſinnigen Strudel dieſer Stadt. Dieſer Plan war eben ſo einfach als richtig und begreiflich, beſonders da er ihn auch ganz gut und ausdauernd durchführte; denn er hatte ſchon ein hübſches Sümmchen zurückge¬ legt, welches er ſorgfältig verwahrte und ſicherer Berechnung nach mit der Zeit groß genug wer¬ den mußte zur Erreichung dieſes Zieles. Aber
Keller, die Leute von Seldwyla. 24
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ſchönen Morgens das Geſchäft, wenn es gerade
vakant würde, anzukaufen und ihn ſelbſt zum
Inhaber und Meiſter zu machen. Dies lag all'
ſeinem Thun und Trachten zu Grunde, da er
wohl bemerkt hatte, wie ein fleißiger und ſpar¬
ſamer Mann allhier wohl gedeihen müßte, ein
Mann, welcher ſeinen eigenen ſtillen Weg ginge
und von der Sorgloſigkeit der Andern nur den
Nutzen aber nicht die Nachtheile zu ziehen wüßte.
Wenn er aber erſt Meiſter wäre, dann wollte
er bald ſo viel erworben haben, um ſich auch
einzubürgern, und dann erſt gedachte er ſo klug
und zweckmäßig zu leben, wie noch nie ein Bür¬
ger in Seldwyl, ſich um gar nichts zu kümmern,
was nicht ſeinen Wohlſtand mehre, nicht einen
Deut auszugeben, aber deren ſo viele als möglich
an ſich zu ziehen in dem leichtſinnigen Strudel
dieſer Stadt. Dieſer Plan war eben ſo einfach
als richtig und begreiflich, beſonders da er ihn
auch ganz gut und ausdauernd durchführte; denn
er hatte ſchon ein hübſches Sümmchen zurückge¬
legt, welches er ſorgfältig verwahrte und ſicherer
Berechnung nach mit der Zeit groß genug wer¬
den mußte zur Erreichung dieſes Zieles. Aber
Keller, die Leute von Seldwyla. 24
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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/381>, abgerufen am 29.11.2024.
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