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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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ihrer Gesichter, um sie auch roth zu machen;
die frische Morgenluft, der thauige stille Frieden,
der über der Gegend lag, das junge Morgenroth
machten sie fröhlich und selbstvergessen und beson¬
ders in Vrenchen schien ein freundlicher Geist
der Sorglosigkeit gefahren zu sein. "Morgen
Abend muß ich also aus diesem Hause fort,"
sagte es, "und ein anderes Obdach suchen. Vor¬
her aber möchte ich Ein Mal, nur Ein Mal
recht lustig sein, und zwar mit Dir; ich möchte
recht herzlich und fleißig mit Dir tanzen irgendwo,
denn das Tanzen aus dem Traume steckt mir
immerfort im Sinn!" "Jedenfalls will ich dabei
sein und sehen, wo Du unterkommst," sagte Sali,
"und tanzen wollte ich auch gerne mit Dir, Du
herziges Kind! aber wo?" "Es ist Morgen
Kirchweih an zwei Orten nicht sehr weit von
hier," erwiederte Vrenchen, "da kennt und be¬
achtet man uns weniger; draußen am Wasser
will ich auf Dich warten und dann können wir
gehen, wohin es uns gefällt, um uns lustig zu
machen, einmal, Ein Mal nur! Aber je, wir
haben ja gar kein Geld!" setzte es traurig hinzu,
"da kann nichts daraus werden!" "Laß nur,

ihrer Geſichter, um ſie auch roth zu machen;
die friſche Morgenluft, der thauige ſtille Frieden,
der über der Gegend lag, das junge Morgenroth
machten ſie fröhlich und ſelbſtvergeſſen und beſon¬
ders in Vrenchen ſchien ein freundlicher Geiſt
der Sorgloſigkeit gefahren zu ſein. »Morgen
Abend muß ich alſo aus dieſem Hauſe fort,«
ſagte es, »und ein anderes Obdach ſuchen. Vor¬
her aber möchte ich Ein Mal, nur Ein Mal
recht luſtig ſein, und zwar mit Dir; ich möchte
recht herzlich und fleißig mit Dir tanzen irgendwo,
denn das Tanzen aus dem Traume ſteckt mir
immerfort im Sinn!« »Jedenfalls will ich dabei
ſein und ſehen, wo Du unterkommſt,« ſagte Sali,
»und tanzen wollte ich auch gerne mit Dir, Du
herziges Kind! aber wo?« »Es iſt Morgen
Kirchweih an zwei Orten nicht ſehr weit von
hier,« erwiederte Vrenchen, »da kennt und be¬
achtet man uns weniger; draußen am Waſſer
will ich auf Dich warten und dann können wir
gehen, wohin es uns gefällt, um uns luſtig zu
machen, einmal, Ein Mal nur! Aber je, wir
haben ja gar kein Geld!« ſetzte es traurig hinzu,
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[298/0310] ihrer Geſichter, um ſie auch roth zu machen; die friſche Morgenluft, der thauige ſtille Frieden, der über der Gegend lag, das junge Morgenroth machten ſie fröhlich und ſelbſtvergeſſen und beſon¬ ders in Vrenchen ſchien ein freundlicher Geiſt der Sorgloſigkeit gefahren zu ſein. »Morgen Abend muß ich alſo aus dieſem Hauſe fort,« ſagte es, »und ein anderes Obdach ſuchen. Vor¬ her aber möchte ich Ein Mal, nur Ein Mal recht luſtig ſein, und zwar mit Dir; ich möchte recht herzlich und fleißig mit Dir tanzen irgendwo, denn das Tanzen aus dem Traume ſteckt mir immerfort im Sinn!« »Jedenfalls will ich dabei ſein und ſehen, wo Du unterkommſt,« ſagte Sali, »und tanzen wollte ich auch gerne mit Dir, Du herziges Kind! aber wo?« »Es iſt Morgen Kirchweih an zwei Orten nicht ſehr weit von hier,« erwiederte Vrenchen, »da kennt und be¬ achtet man uns weniger; draußen am Waſſer will ich auf Dich warten und dann können wir gehen, wohin es uns gefällt, um uns luſtig zu machen, einmal, Ein Mal nur! Aber je, wir haben ja gar kein Geld!« ſetzte es traurig hinzu, »da kann nichts daraus werden!« »Laß nur,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/310>, abgerufen am 13.05.2024.