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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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rer Hochzeit, lange, lange Stunden! und waren
so glücklich, sauber geschmückt und es fehlte uns
an nichts. Da wollten wir uns endlich küssen
und dürsteten darnach, aber immer zog uns Et¬
was auseinander und nun bist Du es selbst ge¬
wesen, der uns gestört und gehindert hat! Aber
wie gut, daß Du gleich da bist!" Gierig fiel
es ihm um den Hals und küßte ihn, als ob es
kein Ende nehmen sollte. "Und was hast Du
denn geträumt?" fragte er und streichelte ihm
Wangen und Kinn. "Mir träumte, ich ginge
endlos auf einer langen Straße durch einen
Wald und Du in der Ferne immer vor mir
her; zuweilen sahest Du nach mir um, winktest
mir und lachtest und dann war ich wie im Him¬
mel. Das ist Alles!" Sie traten unter die
offengebliebene Küchenthüre, die unmittelbar in's
Freie führte, und mußten lachen, als sie sich in's
Gesicht sahen. Denn die rechte Backe Vrenchens
und die linke Salis, welche im Schlafe anein¬
ander gelehnt hatten, waren von dem Drucke
ganz roth gefärbt, während die Blässe der an¬
dern durch die kühle Nachtluft noch erhöht war.
Sie rieben sich zärtlich die kalte bleiche Seite

rer Hochzeit, lange, lange Stunden! und waren
ſo glücklich, ſauber geſchmückt und es fehlte uns
an nichts. Da wollten wir uns endlich küſſen
und dürſteten darnach, aber immer zog uns Et¬
was auseinander und nun biſt Du es ſelbſt ge¬
weſen, der uns geſtört und gehindert hat! Aber
wie gut, daß Du gleich da biſt!« Gierig fiel
es ihm um den Hals und küßte ihn, als ob es
kein Ende nehmen ſollte. »Und was haſt Du
denn geträumt?« fragte er und ſtreichelte ihm
Wangen und Kinn. »Mir träumte, ich ginge
endlos auf einer langen Straße durch einen
Wald und Du in der Ferne immer vor mir
her; zuweilen ſaheſt Du nach mir um, winkteſt
mir und lachteſt und dann war ich wie im Him¬
mel. Das iſt Alles!« Sie traten unter die
offengebliebene Küchenthüre, die unmittelbar in's
Freie führte, und mußten lachen, als ſie ſich in's
Geſicht ſahen. Denn die rechte Backe Vrenchens
und die linke Salis, welche im Schlafe anein¬
ander gelehnt hatten, waren von dem Drucke
ganz roth gefärbt, während die Bläſſe der an¬
dern durch die kühle Nachtluft noch erhöht war.
Sie rieben ſich zärtlich die kalte bleiche Seite

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[297/0309] rer Hochzeit, lange, lange Stunden! und waren ſo glücklich, ſauber geſchmückt und es fehlte uns an nichts. Da wollten wir uns endlich küſſen und dürſteten darnach, aber immer zog uns Et¬ was auseinander und nun biſt Du es ſelbſt ge¬ weſen, der uns geſtört und gehindert hat! Aber wie gut, daß Du gleich da biſt!« Gierig fiel es ihm um den Hals und küßte ihn, als ob es kein Ende nehmen ſollte. »Und was haſt Du denn geträumt?« fragte er und ſtreichelte ihm Wangen und Kinn. »Mir träumte, ich ginge endlos auf einer langen Straße durch einen Wald und Du in der Ferne immer vor mir her; zuweilen ſaheſt Du nach mir um, winkteſt mir und lachteſt und dann war ich wie im Him¬ mel. Das iſt Alles!« Sie traten unter die offengebliebene Küchenthüre, die unmittelbar in's Freie führte, und mußten lachen, als ſie ſich in's Geſicht ſahen. Denn die rechte Backe Vrenchens und die linke Salis, welche im Schlafe anein¬ ander gelehnt hatten, waren von dem Drucke ganz roth gefärbt, während die Bläſſe der an¬ dern durch die kühle Nachtluft noch erhöht war. Sie rieben ſich zärtlich die kalte bleiche Seite

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/309>, abgerufen am 22.11.2024.