gen, hatten die Wolken sich wieder geschlossen, es dunkelte mehr und mehr und der Regen goß nun in Bächen durch die Luft. Manz schlen¬ derte voraus auf den dunklen nassen Wegen, er duckte sich, beide Hände in den Taschen, unter den Regengüssen, zitterte noch in seinen Gesichts¬ zügen und mit den Zähnen und ungesehene Thränen rieselten ihm in den Stoppelbart, die er fließen ließ, um sie durch das Wegwischen nicht zu verrathen. Sein Sohn hatte aber nichts gesehen, weil er in glückseligen Bildern verloren daherging. Er merkte weder Regen noch Sturm, weder Dunkelheit noch Elend; son¬ dern leicht, hell und warm war es ihm innen und außen und er fühlte sich so reich und wohl¬ geborgen, wie ein Königssohn. Er sah fort¬ während das sekundenlange Lächeln des nahen schönen Gesichtes und erwiederte dasselbe erst jetzt, eine gute halbe Stunde nachher, indem er voll Liebe in Nacht und Wetter hineinlachte und das liebe Gesicht anlachte, das ihm allerwegen aus dem Dunkel entgegentrat, so daß er glaubte, Vrenchen müsse auf seinen Wegen dies Lachen nothwendig sehen und inne werden.
gen, hatten die Wolken ſich wieder geſchloſſen, es dunkelte mehr und mehr und der Regen goß nun in Bächen durch die Luft. Manz ſchlen¬ derte voraus auf den dunklen naſſen Wegen, er duckte ſich, beide Hände in den Taſchen, unter den Regengüſſen, zitterte noch in ſeinen Geſichts¬ zügen und mit den Zähnen und ungeſehene Thränen rieſelten ihm in den Stoppelbart, die er fließen ließ, um ſie durch das Wegwiſchen nicht zu verrathen. Sein Sohn hatte aber nichts geſehen, weil er in glückſeligen Bildern verloren daherging. Er merkte weder Regen noch Sturm, weder Dunkelheit noch Elend; ſon¬ dern leicht, hell und warm war es ihm innen und außen und er fühlte ſich ſo reich und wohl¬ geborgen, wie ein Königsſohn. Er ſah fort¬ während das ſekundenlange Lächeln des nahen ſchönen Geſichtes und erwiederte daſſelbe erſt jetzt, eine gute halbe Stunde nachher, indem er voll Liebe in Nacht und Wetter hineinlachte und das liebe Geſicht anlachte, das ihm allerwegen aus dem Dunkel entgegentrat, ſo daß er glaubte, Vrenchen müſſe auf ſeinen Wegen dies Lachen nothwendig ſehen und inne werden.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0273"n="261"/>
gen, hatten die Wolken ſich wieder geſchloſſen,<lb/>
es dunkelte mehr und mehr und der Regen goß<lb/>
nun in Bächen durch die Luft. Manz ſchlen¬<lb/>
derte voraus auf den dunklen naſſen Wegen, er<lb/>
duckte ſich, beide Hände in den Taſchen, unter<lb/>
den Regengüſſen, zitterte noch in ſeinen Geſichts¬<lb/>
zügen und mit den Zähnen und ungeſehene<lb/>
Thränen rieſelten ihm in den Stoppelbart, die<lb/>
er fließen ließ, um ſie durch das Wegwiſchen<lb/>
nicht zu verrathen. Sein Sohn hatte aber<lb/>
nichts geſehen, weil er in glückſeligen Bildern<lb/>
verloren daherging. Er merkte weder Regen<lb/>
noch Sturm, weder Dunkelheit noch Elend; ſon¬<lb/>
dern leicht, hell und warm war es ihm innen<lb/>
und außen und er fühlte ſich ſo reich und wohl¬<lb/>
geborgen, wie ein Königsſohn. Er ſah fort¬<lb/>
während das ſekundenlange Lächeln des nahen<lb/>ſchönen Geſichtes und erwiederte daſſelbe erſt<lb/>
jetzt, eine gute halbe Stunde nachher, indem er<lb/>
voll Liebe in Nacht und Wetter hineinlachte und<lb/>
das liebe Geſicht anlachte, das ihm allerwegen<lb/>
aus dem Dunkel entgegentrat, ſo daß er glaubte,<lb/>
Vrenchen müſſe auf ſeinen Wegen dies Lachen<lb/>
nothwendig ſehen und inne werden.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[261/0273]
gen, hatten die Wolken ſich wieder geſchloſſen,
es dunkelte mehr und mehr und der Regen goß
nun in Bächen durch die Luft. Manz ſchlen¬
derte voraus auf den dunklen naſſen Wegen, er
duckte ſich, beide Hände in den Taſchen, unter
den Regengüſſen, zitterte noch in ſeinen Geſichts¬
zügen und mit den Zähnen und ungeſehene
Thränen rieſelten ihm in den Stoppelbart, die
er fließen ließ, um ſie durch das Wegwiſchen
nicht zu verrathen. Sein Sohn hatte aber
nichts geſehen, weil er in glückſeligen Bildern
verloren daherging. Er merkte weder Regen
noch Sturm, weder Dunkelheit noch Elend; ſon¬
dern leicht, hell und warm war es ihm innen
und außen und er fühlte ſich ſo reich und wohl¬
geborgen, wie ein Königsſohn. Er ſah fort¬
während das ſekundenlange Lächeln des nahen
ſchönen Geſichtes und erwiederte daſſelbe erſt
jetzt, eine gute halbe Stunde nachher, indem er
voll Liebe in Nacht und Wetter hineinlachte und
das liebe Geſicht anlachte, das ihm allerwegen
aus dem Dunkel entgegentrat, ſo daß er glaubte,
Vrenchen müſſe auf ſeinen Wegen dies Lachen
nothwendig ſehen und inne werden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/273>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.