Art, bei Regen und Sonnenschein, indessen sie das Nothwendigste zu Hause liegen lassen mußte. Denn es war sonst keine Seele mehr da und wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiste Land schon verloren hatte und nur noch wenige Äcker besaß, die er mit seiner Tochter liederlich genug oder gar nicht bebaute.
So kam es, daß, als er eines Abends einen ziemlich tiefen und reißenden Bach entlang ging, in welchem die Forellen fleißig sprangen, da der Himmel voll Gewitterwolken hing, er unver¬ hofft auf seinen Feind Manz traf, der an dem andern Ufer daherkam. Sobald er ihn sah, stieg ein schrecklicher Groll und Hohn in ihm auf, sie waren sich seit Jahren nicht so nahe gewesen, ausgenommen vor den Gerichtsschran¬ ken, wo sie nicht schelten durften, und Marti rief jetzt voll Grimm: "Was thust Du hier, Du Hund? Kannst Du nicht in Deinem Lotter¬ neste bleiben, Du Seldwyler Lumpenhund?"
"Wirst nächstens wohl auch ankommen, Du Schelm!" rief Manz. "Fische fängst Du ja auch schon und wirst deshalb nicht viel mehr zu ver¬ säumen haben!"
Art, bei Regen und Sonnenſchein, indeſſen ſie das Nothwendigſte zu Hauſe liegen laſſen mußte. Denn es war ſonſt keine Seele mehr da und wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiſte Land ſchon verloren hatte und nur noch wenige Äcker beſaß, die er mit ſeiner Tochter liederlich genug oder gar nicht bebaute.
So kam es, daß, als er eines Abends einen ziemlich tiefen und reißenden Bach entlang ging, in welchem die Forellen fleißig ſprangen, da der Himmel voll Gewitterwolken hing, er unver¬ hofft auf ſeinen Feind Manz traf, der an dem andern Ufer daherkam. Sobald er ihn ſah, ſtieg ein ſchrecklicher Groll und Hohn in ihm auf, ſie waren ſich ſeit Jahren nicht ſo nahe geweſen, ausgenommen vor den Gerichtsſchran¬ ken, wo ſie nicht ſchelten durften, und Marti rief jetzt voll Grimm: »Was thuſt Du hier, Du Hund? Kannſt Du nicht in Deinem Lotter¬ neſte bleiben, Du Seldwyler Lumpenhund?«
»Wirſt nächſtens wohl auch ankommen, Du Schelm!« rief Manz. »Fiſche fängſt Du ja auch ſchon und wirſt deshalb nicht viel mehr zu ver¬ ſäumen haben!«
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0267"n="255"/>
Art, bei Regen und Sonnenſchein, indeſſen ſie<lb/>
das Nothwendigſte zu Hauſe liegen laſſen mußte.<lb/>
Denn es war ſonſt keine Seele mehr da und<lb/>
wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiſte<lb/>
Land ſchon verloren hatte und nur noch wenige<lb/>
Äcker beſaß, die er mit ſeiner Tochter liederlich<lb/>
genug oder gar nicht bebaute.</p><lb/><p>So kam es, daß, als er eines Abends einen<lb/>
ziemlich tiefen und reißenden Bach entlang ging,<lb/>
in welchem die Forellen fleißig ſprangen, da<lb/>
der Himmel voll Gewitterwolken hing, er unver¬<lb/>
hofft auf ſeinen Feind Manz traf, der an dem<lb/>
andern Ufer daherkam. Sobald er ihn ſah,<lb/>ſtieg ein ſchrecklicher Groll und Hohn in ihm<lb/>
auf, ſie waren ſich ſeit Jahren nicht ſo nahe<lb/>
geweſen, ausgenommen vor den Gerichtsſchran¬<lb/>
ken, wo ſie nicht ſchelten durften, und Marti<lb/>
rief jetzt voll Grimm: »Was thuſt Du hier,<lb/>
Du Hund? Kannſt Du nicht in Deinem Lotter¬<lb/>
neſte bleiben, Du Seldwyler Lumpenhund?«</p><lb/><p>»Wirſt nächſtens wohl auch ankommen, Du<lb/>
Schelm!« rief Manz. »Fiſche fängſt Du ja auch<lb/>ſchon und wirſt deshalb nicht viel mehr zu ver¬<lb/>ſäumen haben!«</p><lb/></div></body></text></TEI>
[255/0267]
Art, bei Regen und Sonnenſchein, indeſſen ſie
das Nothwendigſte zu Hauſe liegen laſſen mußte.
Denn es war ſonſt keine Seele mehr da und
wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiſte
Land ſchon verloren hatte und nur noch wenige
Äcker beſaß, die er mit ſeiner Tochter liederlich
genug oder gar nicht bebaute.
So kam es, daß, als er eines Abends einen
ziemlich tiefen und reißenden Bach entlang ging,
in welchem die Forellen fleißig ſprangen, da
der Himmel voll Gewitterwolken hing, er unver¬
hofft auf ſeinen Feind Manz traf, der an dem
andern Ufer daherkam. Sobald er ihn ſah,
ſtieg ein ſchrecklicher Groll und Hohn in ihm
auf, ſie waren ſich ſeit Jahren nicht ſo nahe
geweſen, ausgenommen vor den Gerichtsſchran¬
ken, wo ſie nicht ſchelten durften, und Marti
rief jetzt voll Grimm: »Was thuſt Du hier,
Du Hund? Kannſt Du nicht in Deinem Lotter¬
neſte bleiben, Du Seldwyler Lumpenhund?«
»Wirſt nächſtens wohl auch ankommen, Du
Schelm!« rief Manz. »Fiſche fängſt Du ja auch
ſchon und wirſt deshalb nicht viel mehr zu ver¬
ſäumen haben!«
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/267>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.