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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Art, bei Regen und Sonnenschein, indessen sie
das Nothwendigste zu Hause liegen lassen mußte.
Denn es war sonst keine Seele mehr da und
wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiste
Land schon verloren hatte und nur noch wenige
Äcker besaß, die er mit seiner Tochter liederlich
genug oder gar nicht bebaute.

So kam es, daß, als er eines Abends einen
ziemlich tiefen und reißenden Bach entlang ging,
in welchem die Forellen fleißig sprangen, da
der Himmel voll Gewitterwolken hing, er unver¬
hofft auf seinen Feind Manz traf, der an dem
andern Ufer daherkam. Sobald er ihn sah,
stieg ein schrecklicher Groll und Hohn in ihm
auf, sie waren sich seit Jahren nicht so nahe
gewesen, ausgenommen vor den Gerichtsschran¬
ken, wo sie nicht schelten durften, und Marti
rief jetzt voll Grimm: "Was thust Du hier,
Du Hund? Kannst Du nicht in Deinem Lotter¬
neste bleiben, Du Seldwyler Lumpenhund?"

"Wirst nächstens wohl auch ankommen, Du
Schelm!" rief Manz. "Fische fängst Du ja auch
schon und wirst deshalb nicht viel mehr zu ver¬
säumen haben!"

Art, bei Regen und Sonnenſchein, indeſſen ſie
das Nothwendigſte zu Hauſe liegen laſſen mußte.
Denn es war ſonſt keine Seele mehr da und
wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiſte
Land ſchon verloren hatte und nur noch wenige
Äcker beſaß, die er mit ſeiner Tochter liederlich
genug oder gar nicht bebaute.

So kam es, daß, als er eines Abends einen
ziemlich tiefen und reißenden Bach entlang ging,
in welchem die Forellen fleißig ſprangen, da
der Himmel voll Gewitterwolken hing, er unver¬
hofft auf ſeinen Feind Manz traf, der an dem
andern Ufer daherkam. Sobald er ihn ſah,
ſtieg ein ſchrecklicher Groll und Hohn in ihm
auf, ſie waren ſich ſeit Jahren nicht ſo nahe
geweſen, ausgenommen vor den Gerichtsſchran¬
ken, wo ſie nicht ſchelten durften, und Marti
rief jetzt voll Grimm: »Was thuſt Du hier,
Du Hund? Kannſt Du nicht in Deinem Lotter¬
neſte bleiben, Du Seldwyler Lumpenhund?«

»Wirſt nächſtens wohl auch ankommen, Du
Schelm!« rief Manz. »Fiſche fängſt Du ja auch
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[255/0267] Art, bei Regen und Sonnenſchein, indeſſen ſie das Nothwendigſte zu Hauſe liegen laſſen mußte. Denn es war ſonſt keine Seele mehr da und wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiſte Land ſchon verloren hatte und nur noch wenige Äcker beſaß, die er mit ſeiner Tochter liederlich genug oder gar nicht bebaute. So kam es, daß, als er eines Abends einen ziemlich tiefen und reißenden Bach entlang ging, in welchem die Forellen fleißig ſprangen, da der Himmel voll Gewitterwolken hing, er unver¬ hofft auf ſeinen Feind Manz traf, der an dem andern Ufer daherkam. Sobald er ihn ſah, ſtieg ein ſchrecklicher Groll und Hohn in ihm auf, ſie waren ſich ſeit Jahren nicht ſo nahe geweſen, ausgenommen vor den Gerichtsſchran¬ ken, wo ſie nicht ſchelten durften, und Marti rief jetzt voll Grimm: »Was thuſt Du hier, Du Hund? Kannſt Du nicht in Deinem Lotter¬ neſte bleiben, Du Seldwyler Lumpenhund?« »Wirſt nächſtens wohl auch ankommen, Du Schelm!« rief Manz. »Fiſche fängſt Du ja auch ſchon und wirſt deshalb nicht viel mehr zu ver¬ ſäumen haben!«

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/267>, abgerufen am 26.11.2024.