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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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habe bemerkt, daß Du neulich noch am untern
Ende dieses Ackers, der jetzt mir gehört, schräg
hineingefahren bist und ein gutes Dreieck abge¬
schnitten hast. Du hast es vielleicht gethan in
der Meinung, Du werdest das ganze Stück an
Dich bringen und es sei dann so wie so Dein.
Da es nun aber mir gehört, so wirst Du wohl
einsehen, daß ich eine solche ungehörige Ein¬
krümmung nicht brauchen noch dulden kann, und
wirst nichts dagegen haben, wenn ich den Strich
wieder grad mache! Streit wird das nicht
abgeben sollen!"

Marti erwiederte eben so kaltblütig, als ihn
Manz angeredet hatte: "Ich sehe auch nicht
wo Streit herkommen soll! Ich denke, Du hast
den Acker gekauft, wie er da ist, wir haben ihn
alle gemeinschaftlich besehen und er hat sich seit
einer Stunde nicht um ein Haar verändert!"

"Larifari! sagte Manz, was früher gesche¬
hen wollen wir nicht aufrühren! Was aber zu
viel ist, ist zu viel und alles muß zuletzt eine
ordentliche grade Art haben; diese drei Äcker sind
von jeher so grade neben einander gelegen, wie
nach dem Richtscheit gezeichnet, es ist ein ganz

habe bemerkt, daß Du neulich noch am untern
Ende dieſes Ackers, der jetzt mir gehört, ſchräg
hineingefahren biſt und ein gutes Dreieck abge¬
ſchnitten haſt. Du haſt es vielleicht gethan in
der Meinung, Du werdeſt das ganze Stück an
Dich bringen und es ſei dann ſo wie ſo Dein.
Da es nun aber mir gehört, ſo wirſt Du wohl
einſehen, daß ich eine ſolche ungehörige Ein¬
krümmung nicht brauchen noch dulden kann, und
wirſt nichts dagegen haben, wenn ich den Strich
wieder grad mache! Streit wird das nicht
abgeben ſollen!«

Marti erwiederte eben ſo kaltblütig, als ihn
Manz angeredet hatte: »Ich ſehe auch nicht
wo Streit herkommen ſoll! Ich denke, Du haſt
den Acker gekauft, wie er da iſt, wir haben ihn
alle gemeinſchaftlich beſehen und er hat ſich ſeit
einer Stunde nicht um ein Haar verändert!«

»Larifari! ſagte Manz, was früher geſche¬
hen wollen wir nicht aufrühren! Was aber zu
viel iſt, iſt zu viel und alles muß zuletzt eine
ordentliche grade Art haben; dieſe drei Äcker ſind
von jeher ſo grade neben einander gelegen, wie
nach dem Richtſcheit gezeichnet, es iſt ein ganz

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[228/0240] habe bemerkt, daß Du neulich noch am untern Ende dieſes Ackers, der jetzt mir gehört, ſchräg hineingefahren biſt und ein gutes Dreieck abge¬ ſchnitten haſt. Du haſt es vielleicht gethan in der Meinung, Du werdeſt das ganze Stück an Dich bringen und es ſei dann ſo wie ſo Dein. Da es nun aber mir gehört, ſo wirſt Du wohl einſehen, daß ich eine ſolche ungehörige Ein¬ krümmung nicht brauchen noch dulden kann, und wirſt nichts dagegen haben, wenn ich den Strich wieder grad mache! Streit wird das nicht abgeben ſollen!« Marti erwiederte eben ſo kaltblütig, als ihn Manz angeredet hatte: »Ich ſehe auch nicht wo Streit herkommen ſoll! Ich denke, Du haſt den Acker gekauft, wie er da iſt, wir haben ihn alle gemeinſchaftlich beſehen und er hat ſich ſeit einer Stunde nicht um ein Haar verändert!« »Larifari! ſagte Manz, was früher geſche¬ hen wollen wir nicht aufrühren! Was aber zu viel iſt, iſt zu viel und alles muß zuletzt eine ordentliche grade Art haben; dieſe drei Äcker ſind von jeher ſo grade neben einander gelegen, wie nach dem Richtſcheit gezeichnet, es iſt ein ganz

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/240>, abgerufen am 27.04.2024.