Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

auf stoßen; so wie es aber von Einem began¬
gen ist, sind die Übrigen froh, daß sie es doch
nicht gewesen sind, daß die Versuchung nicht sie
betroffen hat, und sie machen nun den Auserwähl¬
ten zu dem Schlechtigkeitsmesser ihrer Eigenschaf¬
ten und behandeln ihn mit zarter Scheu als
einen Ableiter des Übels, der von den Göttern
gezeichnet ist, während ihnen zugleich noch der
Mund wässert nach den Vortheilen, die er dabei
genossen. Manz und Marti waren also die ein¬
zigen, welche ernstlich auf den Acker boten, und
nach einem ziemlich hartnäckigen Überbieten erstand
ihn Manz und er wurde ihm zugeschlagen. Die
Beamten und die Gaffer verloren sich vom Felde,
die beiden Bauern, welche sich auf ihren Äckern
noch zu schaffen gemacht, trafen beim Weggehen
wieder zusammen und Marti sagte: "Du wirst
nun dein Land, das alte und das neue, wohl
zusammenschlagen und in zwei gleiche Stücke
theilen? Ich hätte es wenigstens so gemacht,
wenn ich das Ding bekommen hätte." "Ich
werde es allerdings auch thun" antwortete Manz,
"denn als Ein Acker würde mir das Stück zu
groß sein. Doch was ich sagen wollte: Ich

15 *

auf ſtoßen; ſo wie es aber von Einem began¬
gen iſt, ſind die Übrigen froh, daß ſie es doch
nicht geweſen ſind, daß die Verſuchung nicht ſie
betroffen hat, und ſie machen nun den Auserwähl¬
ten zu dem Schlechtigkeitsmeſſer ihrer Eigenſchaf¬
ten und behandeln ihn mit zarter Scheu als
einen Ableiter des Übels, der von den Göttern
gezeichnet iſt, während ihnen zugleich noch der
Mund wäſſert nach den Vortheilen, die er dabei
genoſſen. Manz und Marti waren alſo die ein¬
zigen, welche ernſtlich auf den Acker boten, und
nach einem ziemlich hartnäckigen Überbieten erſtand
ihn Manz und er wurde ihm zugeſchlagen. Die
Beamten und die Gaffer verloren ſich vom Felde,
die beiden Bauern, welche ſich auf ihren Äckern
noch zu ſchaffen gemacht, trafen beim Weggehen
wieder zuſammen und Marti ſagte: »Du wirſt
nun dein Land, das alte und das neue, wohl
zuſammenſchlagen und in zwei gleiche Stücke
theilen? Ich hätte es wenigſtens ſo gemacht,
wenn ich das Ding bekommen hätte.« »Ich
werde es allerdings auch thun« antwortete Manz,
»denn als Ein Acker würde mir das Stück zu
groß ſein. Doch was ich ſagen wollte: Ich

15 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0239" n="227"/>
auf &#x017F;toßen; &#x017F;o wie es aber von Einem began¬<lb/>
gen i&#x017F;t, &#x017F;ind die Übrigen froh, daß &#x017F;ie es doch<lb/>
nicht gewe&#x017F;en &#x017F;ind, daß die Ver&#x017F;uchung nicht &#x017F;ie<lb/>
betroffen hat, und &#x017F;ie machen nun den Auserwähl¬<lb/>
ten zu dem Schlechtigkeitsme&#x017F;&#x017F;er ihrer Eigen&#x017F;chaf¬<lb/>
ten und behandeln ihn mit zarter Scheu als<lb/>
einen Ableiter des Übels, der von den Göttern<lb/>
gezeichnet i&#x017F;t, während ihnen zugleich noch der<lb/>
Mund wä&#x017F;&#x017F;ert nach den Vortheilen, die er dabei<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en. Manz und Marti waren al&#x017F;o die ein¬<lb/>
zigen, welche ern&#x017F;tlich auf den Acker boten, und<lb/>
nach einem ziemlich hartnäckigen Überbieten er&#x017F;tand<lb/>
ihn Manz und er wurde ihm zuge&#x017F;chlagen. Die<lb/>
Beamten und die Gaffer verloren &#x017F;ich vom Felde,<lb/>
die beiden Bauern, welche &#x017F;ich auf ihren Äckern<lb/>
noch zu &#x017F;chaffen gemacht, trafen beim Weggehen<lb/>
wieder zu&#x017F;ammen und Marti &#x017F;agte: »Du wir&#x017F;t<lb/>
nun dein Land, das alte und das neue, wohl<lb/>
zu&#x017F;ammen&#x017F;chlagen und in zwei gleiche Stücke<lb/>
theilen? Ich hätte es wenig&#x017F;tens &#x017F;o gemacht,<lb/>
wenn ich das Ding bekommen hätte.« »Ich<lb/>
werde es allerdings auch thun« antwortete Manz,<lb/>
»denn als Ein Acker würde mir das Stück zu<lb/>
groß &#x017F;ein. Doch was ich &#x017F;agen wollte: Ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">15 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0239] auf ſtoßen; ſo wie es aber von Einem began¬ gen iſt, ſind die Übrigen froh, daß ſie es doch nicht geweſen ſind, daß die Verſuchung nicht ſie betroffen hat, und ſie machen nun den Auserwähl¬ ten zu dem Schlechtigkeitsmeſſer ihrer Eigenſchaf¬ ten und behandeln ihn mit zarter Scheu als einen Ableiter des Übels, der von den Göttern gezeichnet iſt, während ihnen zugleich noch der Mund wäſſert nach den Vortheilen, die er dabei genoſſen. Manz und Marti waren alſo die ein¬ zigen, welche ernſtlich auf den Acker boten, und nach einem ziemlich hartnäckigen Überbieten erſtand ihn Manz und er wurde ihm zugeſchlagen. Die Beamten und die Gaffer verloren ſich vom Felde, die beiden Bauern, welche ſich auf ihren Äckern noch zu ſchaffen gemacht, trafen beim Weggehen wieder zuſammen und Marti ſagte: »Du wirſt nun dein Land, das alte und das neue, wohl zuſammenſchlagen und in zwei gleiche Stücke theilen? Ich hätte es wenigſtens ſo gemacht, wenn ich das Ding bekommen hätte.« »Ich werde es allerdings auch thun« antwortete Manz, »denn als Ein Acker würde mir das Stück zu groß ſein. Doch was ich ſagen wollte: Ich 15 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/239
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/239>, abgerufen am 25.11.2024.