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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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und sich mit dem Vorweisen und Einschenken ihres
besten Weines zu schaffen machte. Dadurch
wurde seine Verlegenheit, als er so zwischen
seiner Frau und seinem Sohne saß, etwas ge¬
mildert, und das Loben des guten Weines gab
ihm Veranlassung, die Vermuthung auszusprechen,
daß es also mit ihnen gut stehen müsse, wie er
zu seiner Befriedigung ersehe, was denn den
besten Übergang gab zu der Auseinandersetzung
ihrer Verhältnisse Frau und Sohn suchten nun
nicht ängstlich zurückzuhalten und heimlich zu
thun, sondern sie legten ihm offen den Stand
ihres Hauses und ihres Vermögens dar; Fritz
holte die Bücher und Papiere herbei und wies
ihm die Dinge mit solchem Verstand und Klar¬
heit nach, daß er erstaunt die Augen aufsperrte
über die gute Geschäftsführung und über die
Wohlhabenheit seiner Familie. Indessen reckte
er sich empor und sprach: Da steht Ihr ja
herrlich im Zeuge und habt Euch gut gehalten,
was mir lieb ist. Ich komme aber auch nicht
mit leeren Händen und habe mir einen Pfennig
erworben, durch Fleiß und Rührigkeit! Und er
zog einige Wechselbriefe hervor, so wie einen mit

und ſich mit dem Vorweiſen und Einſchenken ihres
beſten Weines zu ſchaffen machte. Dadurch
wurde ſeine Verlegenheit, als er ſo zwiſchen
ſeiner Frau und ſeinem Sohne ſaß, etwas ge¬
mildert, und das Loben des guten Weines gab
ihm Veranlaſſung, die Vermuthung auszuſprechen,
daß es alſo mit ihnen gut ſtehen müſſe, wie er
zu ſeiner Befriedigung erſehe, was denn den
beſten Übergang gab zu der Auseinanderſetzung
ihrer Verhältniſſe Frau und Sohn ſuchten nun
nicht ängſtlich zurückzuhalten und heimlich zu
thun, ſondern ſie legten ihm offen den Stand
ihres Hauſes und ihres Vermögens dar; Fritz
holte die Bücher und Papiere herbei und wies
ihm die Dinge mit ſolchem Verſtand und Klar¬
heit nach, daß er erſtaunt die Augen aufſperrte
über die gute Geſchäftsführung und über die
Wohlhabenheit ſeiner Familie. Indeſſen reckte
er ſich empor und ſprach: Da ſteht Ihr ja
herrlich im Zeuge und habt Euch gut gehalten,
was mir lieb iſt. Ich komme aber auch nicht
mit leeren Händen und habe mir einen Pfennig
erworben, durch Fleiß und Rührigkeit! Und er
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[203/0215] und ſich mit dem Vorweiſen und Einſchenken ihres beſten Weines zu ſchaffen machte. Dadurch wurde ſeine Verlegenheit, als er ſo zwiſchen ſeiner Frau und ſeinem Sohne ſaß, etwas ge¬ mildert, und das Loben des guten Weines gab ihm Veranlaſſung, die Vermuthung auszuſprechen, daß es alſo mit ihnen gut ſtehen müſſe, wie er zu ſeiner Befriedigung erſehe, was denn den beſten Übergang gab zu der Auseinanderſetzung ihrer Verhältniſſe Frau und Sohn ſuchten nun nicht ängſtlich zurückzuhalten und heimlich zu thun, ſondern ſie legten ihm offen den Stand ihres Hauſes und ihres Vermögens dar; Fritz holte die Bücher und Papiere herbei und wies ihm die Dinge mit ſolchem Verſtand und Klar¬ heit nach, daß er erſtaunt die Augen aufſperrte über die gute Geſchäftsführung und über die Wohlhabenheit ſeiner Familie. Indeſſen reckte er ſich empor und ſprach: Da ſteht Ihr ja herrlich im Zeuge und habt Euch gut gehalten, was mir lieb iſt. Ich komme aber auch nicht mit leeren Händen und habe mir einen Pfennig erworben, durch Fleiß und Rührigkeit! Und er zog einige Wechſelbriefe hervor, ſo wie einen mit

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/215>, abgerufen am 27.04.2024.