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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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gerannt kamen und das Protokoll rechtskräftig
geschlossen fanden sammt dessen Resultat. Ruhig
lächelnd gingen die Landleute auseinander; Fritz
Amrain aber, welcher nach seiner Behausung
schritt, wurde von den Bürgern aufgebracht,
verlegen und wild höhnisch betrachtet, mit hal¬
bem Blicke oder mit weit aufgesperrten Augen.
Der Eine rief ein abgebrochenes Ha! der Andere
ein Ho! Fritz fühlte, daß er jetzt zum ersten
Male wirkliche Feinde habe, und zwar gefähr¬
licher als jene, gegen welche er einst mit Blei
und Pulver ausgezogen. Auch wußte er, da er
so unerbittlich über einen Mann gerichtet, der
zwanzig Jahre älter war als er, daß er sich
nun doppelt wehren müsse, selber nicht in die
Grube zu fallen und so hatte das Leben nun
wieder ein ganz anderes Gesicht für ihn, als es
noch vor zwei Stunden gehabt. Mit ernsten
Gedanken trat er in sein Haus und gedachte,
um sich aufzuheitern, seine Mutter zu prüfen,
ob ihr diese Wendung der Dinge auch genehm
sei, da sie ihn allein veranlaßt hatte, sich in die
Gefahr zu begeben.

Allein da er den Hausflur betrat, kam ihm

gerannt kamen und das Protokoll rechtskräftig
geſchloſſen fanden ſammt deſſen Reſultat. Ruhig
lächelnd gingen die Landleute auseinander; Fritz
Amrain aber, welcher nach ſeiner Behauſung
ſchritt, wurde von den Bürgern aufgebracht,
verlegen und wild höhniſch betrachtet, mit hal¬
bem Blicke oder mit weit aufgeſperrten Augen.
Der Eine rief ein abgebrochenes Ha! der Andere
ein Ho! Fritz fühlte, daß er jetzt zum erſten
Male wirkliche Feinde habe, und zwar gefähr¬
licher als jene, gegen welche er einſt mit Blei
und Pulver ausgezogen. Auch wußte er, da er
ſo unerbittlich über einen Mann gerichtet, der
zwanzig Jahre älter war als er, daß er ſich
nun doppelt wehren müſſe, ſelber nicht in die
Grube zu fallen und ſo hatte das Leben nun
wieder ein ganz anderes Geſicht für ihn, als es
noch vor zwei Stunden gehabt. Mit ernſten
Gedanken trat er in ſein Haus und gedachte,
um ſich aufzuheitern, ſeine Mutter zu prüfen,
ob ihr dieſe Wendung der Dinge auch genehm
ſei, da ſie ihn allein veranlaßt hatte, ſich in die
Gefahr zu begeben.

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[199/0211] gerannt kamen und das Protokoll rechtskräftig geſchloſſen fanden ſammt deſſen Reſultat. Ruhig lächelnd gingen die Landleute auseinander; Fritz Amrain aber, welcher nach ſeiner Behauſung ſchritt, wurde von den Bürgern aufgebracht, verlegen und wild höhniſch betrachtet, mit hal¬ bem Blicke oder mit weit aufgeſperrten Augen. Der Eine rief ein abgebrochenes Ha! der Andere ein Ho! Fritz fühlte, daß er jetzt zum erſten Male wirkliche Feinde habe, und zwar gefähr¬ licher als jene, gegen welche er einſt mit Blei und Pulver ausgezogen. Auch wußte er, da er ſo unerbittlich über einen Mann gerichtet, der zwanzig Jahre älter war als er, daß er ſich nun doppelt wehren müſſe, ſelber nicht in die Grube zu fallen und ſo hatte das Leben nun wieder ein ganz anderes Geſicht für ihn, als es noch vor zwei Stunden gehabt. Mit ernſten Gedanken trat er in ſein Haus und gedachte, um ſich aufzuheitern, ſeine Mutter zu prüfen, ob ihr dieſe Wendung der Dinge auch genehm ſei, da ſie ihn allein veranlaßt hatte, ſich in die Gefahr zu begeben. Allein da er den Hausflur betrat, kam ihm

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/211>, abgerufen am 28.04.2024.