Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Magnaten und Gastwirth blieb nichts anders
übrig, als das Unerhörte abermals so begreiflich
zu finden, daß es an's Triviale gränzte, und ohne
ein Wort weiter zu sagen verließ er die Kirche,
gefolgt von dem bestürzten Nachtwächter und den
andern Lumpen. Nur der Schreiber blieb, um
das Protokoll weiter zu führen und Fritz Am¬
rain begab sich in dessen Nähe und sah ihm
auf die Finger. Die Bauern aber erholten sich
endlich aus ihrer Verwunderung und benutzten
die Gelegenheit, das Wahlgeschäft rasch zu been¬
den und statt der bisherigen zwei Mitglieder zwei
tüchtige Männer aus ihrer Gegend zu wählen,
die sie schon lange gerne im Rathe gesehen, wenn
die Seldwyler ihnen irgend Raum gegönnt hät¬
ten. Dies lag nun am wenigsten im Plane
der nichterschienenen Seldwyler, denn sie hatten
sich doch gedacht, daß ihr Präsident und der
Nachtwächter unfehlbar die alten zwei Popanze
wählen würden, wie es auch ausgemacht war
in einer flüchtigen Viertelstunde in irgend einem
Hinterstübchen. Wie erstaunten sie daher, als
sie nun, durch den heimgeschickten falschen Präsi¬
denten aufgeschreckt, in hellen Haufen daher

Magnaten und Gaſtwirth blieb nichts anders
übrig, als das Unerhörte abermals ſo begreiflich
zu finden, daß es an's Triviale gränzte, und ohne
ein Wort weiter zu ſagen verließ er die Kirche,
gefolgt von dem beſtürzten Nachtwächter und den
andern Lumpen. Nur der Schreiber blieb, um
das Protokoll weiter zu führen und Fritz Am¬
rain begab ſich in deſſen Nähe und ſah ihm
auf die Finger. Die Bauern aber erholten ſich
endlich aus ihrer Verwunderung und benutzten
die Gelegenheit, das Wahlgeſchäft raſch zu been¬
den und ſtatt der bisherigen zwei Mitglieder zwei
tüchtige Männer aus ihrer Gegend zu wählen,
die ſie ſchon lange gerne im Rathe geſehen, wenn
die Seldwyler ihnen irgend Raum gegönnt hät¬
ten. Dies lag nun am wenigſten im Plane
der nichterſchienenen Seldwyler, denn ſie hatten
ſich doch gedacht, daß ihr Präſident und der
Nachtwächter unfehlbar die alten zwei Popanze
wählen würden, wie es auch ausgemacht war
in einer flüchtigen Viertelſtunde in irgend einem
Hinterſtübchen. Wie erſtaunten ſie daher, als
ſie nun, durch den heimgeſchickten falſchen Präſi¬
denten aufgeſchreckt, in hellen Haufen daher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0210" n="198"/>
Magnaten und Ga&#x017F;twirth blieb nichts anders<lb/>
übrig, als das Unerhörte abermals &#x017F;o begreiflich<lb/>
zu finden, daß es an's Triviale gränzte, und ohne<lb/>
ein Wort weiter zu &#x017F;agen verließ er die Kirche,<lb/>
gefolgt von dem be&#x017F;türzten Nachtwächter und den<lb/>
andern Lumpen. Nur der Schreiber blieb, um<lb/>
das Protokoll weiter zu führen und Fritz Am¬<lb/>
rain begab &#x017F;ich in de&#x017F;&#x017F;en Nähe und &#x017F;ah ihm<lb/>
auf die Finger. Die Bauern aber erholten &#x017F;ich<lb/>
endlich aus ihrer Verwunderung und benutzten<lb/>
die Gelegenheit, das Wahlge&#x017F;chäft ra&#x017F;ch zu been¬<lb/>
den und &#x017F;tatt der bisherigen zwei Mitglieder zwei<lb/>
tüchtige Männer aus ihrer Gegend zu wählen,<lb/>
die &#x017F;ie &#x017F;chon lange gerne im Rathe ge&#x017F;ehen, wenn<lb/>
die Seldwyler ihnen irgend Raum gegönnt hät¬<lb/>
ten. Dies lag nun am wenig&#x017F;ten im Plane<lb/>
der nichter&#x017F;chienenen Seldwyler, denn &#x017F;ie hatten<lb/>
&#x017F;ich doch gedacht, daß ihr Prä&#x017F;ident und der<lb/>
Nachtwächter unfehlbar die alten zwei Popanze<lb/>
wählen würden, wie es auch ausgemacht war<lb/>
in einer flüchtigen Viertel&#x017F;tunde in irgend einem<lb/>
Hinter&#x017F;tübchen. Wie er&#x017F;taunten &#x017F;ie daher, als<lb/>
&#x017F;ie nun, durch den heimge&#x017F;chickten fal&#x017F;chen Prä&#x017F;<lb/>
denten aufge&#x017F;chreckt, in hellen Haufen daher<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0210] Magnaten und Gaſtwirth blieb nichts anders übrig, als das Unerhörte abermals ſo begreiflich zu finden, daß es an's Triviale gränzte, und ohne ein Wort weiter zu ſagen verließ er die Kirche, gefolgt von dem beſtürzten Nachtwächter und den andern Lumpen. Nur der Schreiber blieb, um das Protokoll weiter zu führen und Fritz Am¬ rain begab ſich in deſſen Nähe und ſah ihm auf die Finger. Die Bauern aber erholten ſich endlich aus ihrer Verwunderung und benutzten die Gelegenheit, das Wahlgeſchäft raſch zu been¬ den und ſtatt der bisherigen zwei Mitglieder zwei tüchtige Männer aus ihrer Gegend zu wählen, die ſie ſchon lange gerne im Rathe geſehen, wenn die Seldwyler ihnen irgend Raum gegönnt hät¬ ten. Dies lag nun am wenigſten im Plane der nichterſchienenen Seldwyler, denn ſie hatten ſich doch gedacht, daß ihr Präſident und der Nachtwächter unfehlbar die alten zwei Popanze wählen würden, wie es auch ausgemacht war in einer flüchtigen Viertelſtunde in irgend einem Hinterſtübchen. Wie erſtaunten ſie daher, als ſie nun, durch den heimgeſchickten falſchen Präſi¬ denten aufgeſchreckt, in hellen Haufen daher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/210
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/210>, abgerufen am 28.04.2024.