Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Selbstständigkeit unternahm, aber jedesmal zur
rechten Zeit und so plötzlich, einleuchtend und
bedeutsam, daß es nie seiner bleibenden Wirkung
ermangelte.

Als Fritz bald achtzehn Jahre zählte, war
er ein schönes junges Bürschchen, fein anzusehen
mit seinem blonden Haare und seinen blauen
Augen, und von einer großen Selbstständigkeit
und Sicherheit in allem was er that. Er hatte
bereits die Leitung des Geschäftes übernommen,
was die Arbeit im Freien betraf, nachdem er
schon vom vierzehnten Jahre an im Steinbruch
tüchtig gearbeitet. Er machte ein ernsthaftes
und kluges Gesicht und war dennoch aufgeräumt
und guter Dinge, und was seiner Mutter am
besten gefiel, war seine Fähigkeit mit allen Leu¬
ten umzugehen, ohne ihre Art anzunehmen. Sie
hielt ihn nicht ab, wenn es ihm langweilig war
zu Hause, auszugehen und mit anderen jungen
Burschen zu verkehren; aber die scharf Aufmer¬
kende sah mit Vergnügen, daß er an der Weise
der jungen Seldwyler, mit denen er abwechselnd
verkehrte, bald mit diesem, bald mit jenem, keinen
sonderlichen Geschmack gewann, sie überschaute

Selbſtſtändigkeit unternahm, aber jedesmal zur
rechten Zeit und ſo plötzlich, einleuchtend und
bedeutſam, daß es nie ſeiner bleibenden Wirkung
ermangelte.

Als Fritz bald achtzehn Jahre zählte, war
er ein ſchönes junges Bürſchchen, fein anzuſehen
mit ſeinem blonden Haare und ſeinen blauen
Augen, und von einer großen Selbſtſtändigkeit
und Sicherheit in allem was er that. Er hatte
bereits die Leitung des Geſchäftes übernommen,
was die Arbeit im Freien betraf, nachdem er
ſchon vom vierzehnten Jahre an im Steinbruch
tüchtig gearbeitet. Er machte ein ernſthaftes
und kluges Geſicht und war dennoch aufgeräumt
und guter Dinge, und was ſeiner Mutter am
beſten gefiel, war ſeine Fähigkeit mit allen Leu¬
ten umzugehen, ohne ihre Art anzunehmen. Sie
hielt ihn nicht ab, wenn es ihm langweilig war
zu Hauſe, auszugehen und mit anderen jungen
Burſchen zu verkehren; aber die ſcharf Aufmer¬
kende ſah mit Vergnügen, daß er an der Weiſe
der jungen Seldwyler, mit denen er abwechſelnd
verkehrte, bald mit dieſem, bald mit jenem, keinen
ſonderlichen Geſchmack gewann, ſie überſchaute

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="136"/>
Selb&#x017F;t&#x017F;tändigkeit unternahm, aber jedesmal zur<lb/>
rechten Zeit und &#x017F;o plötzlich, einleuchtend und<lb/>
bedeut&#x017F;am, daß es nie &#x017F;einer bleibenden Wirkung<lb/>
ermangelte.</p><lb/>
        <p>Als Fritz bald achtzehn Jahre zählte, war<lb/>
er ein &#x017F;chönes junges Bür&#x017F;chchen, fein anzu&#x017F;ehen<lb/>
mit &#x017F;einem blonden Haare und &#x017F;einen blauen<lb/>
Augen, und von einer großen Selb&#x017F;t&#x017F;tändigkeit<lb/>
und Sicherheit in allem was er that. Er hatte<lb/>
bereits die Leitung des Ge&#x017F;chäftes übernommen,<lb/>
was die Arbeit im Freien betraf, nachdem er<lb/>
&#x017F;chon vom vierzehnten Jahre an im Steinbruch<lb/>
tüchtig gearbeitet. Er machte ein ern&#x017F;thaftes<lb/>
und kluges Ge&#x017F;icht und war dennoch aufgeräumt<lb/>
und guter Dinge, und was &#x017F;einer Mutter am<lb/>
be&#x017F;ten gefiel, war &#x017F;eine Fähigkeit mit allen Leu¬<lb/>
ten umzugehen, ohne ihre Art anzunehmen. Sie<lb/>
hielt ihn nicht ab, wenn es ihm langweilig war<lb/>
zu Hau&#x017F;e, auszugehen und mit anderen jungen<lb/>
Bur&#x017F;chen zu verkehren; aber die &#x017F;charf Aufmer¬<lb/>
kende &#x017F;ah mit Vergnügen, daß er an der Wei&#x017F;e<lb/>
der jungen Seldwyler, mit denen er abwech&#x017F;elnd<lb/>
verkehrte, bald mit die&#x017F;em, bald mit jenem, keinen<lb/>
&#x017F;onderlichen Ge&#x017F;chmack gewann, &#x017F;ie über&#x017F;chaute<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0148] Selbſtſtändigkeit unternahm, aber jedesmal zur rechten Zeit und ſo plötzlich, einleuchtend und bedeutſam, daß es nie ſeiner bleibenden Wirkung ermangelte. Als Fritz bald achtzehn Jahre zählte, war er ein ſchönes junges Bürſchchen, fein anzuſehen mit ſeinem blonden Haare und ſeinen blauen Augen, und von einer großen Selbſtſtändigkeit und Sicherheit in allem was er that. Er hatte bereits die Leitung des Geſchäftes übernommen, was die Arbeit im Freien betraf, nachdem er ſchon vom vierzehnten Jahre an im Steinbruch tüchtig gearbeitet. Er machte ein ernſthaftes und kluges Geſicht und war dennoch aufgeräumt und guter Dinge, und was ſeiner Mutter am beſten gefiel, war ſeine Fähigkeit mit allen Leu¬ ten umzugehen, ohne ihre Art anzunehmen. Sie hielt ihn nicht ab, wenn es ihm langweilig war zu Hauſe, auszugehen und mit anderen jungen Burſchen zu verkehren; aber die ſcharf Aufmer¬ kende ſah mit Vergnügen, daß er an der Weiſe der jungen Seldwyler, mit denen er abwechſelnd verkehrte, bald mit dieſem, bald mit jenem, keinen ſonderlichen Geſchmack gewann, ſie überſchaute

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/148
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/148>, abgerufen am 03.05.2024.