und nur etwas sich mit ihnen die Zeit vertrieb, wie und so lange er es für gut fand. Mit Vergnügen sah sie auch, daß er sich nicht lumpen ließ und bei Gelagen manche Flasche zum Besten gab, ohne je für sich selbst schlimme Folgen davon zu tragen, und daß er nicht in Einen schlimmen oder schimpflichen Handel verwickelt wurde, ob¬ gleich er überall sich zu schaffen machte und wußte, wie es zugegangen, ohne daß er im mindesten ein Duckmäuser und Aufpasser war. Auch hielt er was auf sich, ohne hochmüthig zu sein, und wußte sich zu wehren, wenn es galt. Frau Regula war daher guten Muthes und dachte, das wäre gerade die rechte Weise und ihr Söhnchen sei nicht auf den Kopf gefallen.
Da bemerkte sie, daß er anfing zu erröthen, wenn schöne Mädchen ihm in den Weg kamen, daß er selbst häßliche Mädchen aufmerksam und kritisch betrachtete und daß er verlegen wurde, wenn eine hübsche runde und muntere Frau in der Stube war, während er dieselbe doch heim¬ licher Weise mit den Augen verschlang. Aus diesen drei Zeichen entnahm sie zwei Dinge: erstens, daß noch nichts an ihm verdorben sei,
und nur etwas ſich mit ihnen die Zeit vertrieb, wie und ſo lange er es für gut fand. Mit Vergnügen ſah ſie auch, daß er ſich nicht lumpen ließ und bei Gelagen manche Flaſche zum Beſten gab, ohne je für ſich ſelbſt ſchlimme Folgen davon zu tragen, und daß er nicht in Einen ſchlimmen oder ſchimpflichen Handel verwickelt wurde, ob¬ gleich er überall ſich zu ſchaffen machte und wußte, wie es zugegangen, ohne daß er im mindeſten ein Duckmäuſer und Aufpaſſer war. Auch hielt er was auf ſich, ohne hochmüthig zu ſein, und wußte ſich zu wehren, wenn es galt. Frau Regula war daher guten Muthes und dachte, das wäre gerade die rechte Weiſe und ihr Söhnchen ſei nicht auf den Kopf gefallen.
Da bemerkte ſie, daß er anfing zu erröthen, wenn ſchöne Mädchen ihm in den Weg kamen, daß er ſelbſt häßliche Mädchen aufmerkſam und kritiſch betrachtete und daß er verlegen wurde, wenn eine hübſche runde und muntere Frau in der Stube war, während er dieſelbe doch heim¬ licher Weiſe mit den Augen verſchlang. Aus dieſen drei Zeichen entnahm ſie zwei Dinge: erſtens, daß noch nichts an ihm verdorben ſei,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0149"n="137"/>
und nur etwas ſich mit ihnen die Zeit vertrieb,<lb/>
wie und ſo lange er es für gut fand. Mit<lb/>
Vergnügen ſah ſie auch, daß er ſich nicht lumpen<lb/>
ließ und bei Gelagen manche Flaſche zum Beſten<lb/>
gab, ohne je für ſich ſelbſt ſchlimme Folgen davon<lb/>
zu tragen, und daß er nicht in Einen ſchlimmen<lb/>
oder ſchimpflichen Handel verwickelt wurde, ob¬<lb/>
gleich er überall ſich zu ſchaffen machte und<lb/>
wußte, wie es zugegangen, ohne daß er im<lb/>
mindeſten ein Duckmäuſer und Aufpaſſer war.<lb/>
Auch hielt er was auf ſich, ohne hochmüthig zu<lb/>ſein, und wußte ſich zu wehren, wenn es galt.<lb/>
Frau Regula war daher guten Muthes und<lb/>
dachte, das wäre gerade die rechte Weiſe und<lb/>
ihr Söhnchen ſei nicht auf den Kopf gefallen.</p><lb/><p>Da bemerkte ſie, daß er anfing zu erröthen,<lb/>
wenn ſchöne Mädchen ihm in den Weg kamen,<lb/>
daß er ſelbſt häßliche Mädchen aufmerkſam und<lb/>
kritiſch betrachtete und daß er verlegen wurde,<lb/>
wenn eine hübſche runde und muntere Frau in<lb/>
der Stube war, während er dieſelbe doch heim¬<lb/>
licher Weiſe mit den Augen verſchlang. Aus<lb/>
dieſen drei Zeichen entnahm ſie zwei Dinge:<lb/>
erſtens, daß noch nichts an ihm verdorben ſei,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[137/0149]
und nur etwas ſich mit ihnen die Zeit vertrieb,
wie und ſo lange er es für gut fand. Mit
Vergnügen ſah ſie auch, daß er ſich nicht lumpen
ließ und bei Gelagen manche Flaſche zum Beſten
gab, ohne je für ſich ſelbſt ſchlimme Folgen davon
zu tragen, und daß er nicht in Einen ſchlimmen
oder ſchimpflichen Handel verwickelt wurde, ob¬
gleich er überall ſich zu ſchaffen machte und
wußte, wie es zugegangen, ohne daß er im
mindeſten ein Duckmäuſer und Aufpaſſer war.
Auch hielt er was auf ſich, ohne hochmüthig zu
ſein, und wußte ſich zu wehren, wenn es galt.
Frau Regula war daher guten Muthes und
dachte, das wäre gerade die rechte Weiſe und
ihr Söhnchen ſei nicht auf den Kopf gefallen.
Da bemerkte ſie, daß er anfing zu erröthen,
wenn ſchöne Mädchen ihm in den Weg kamen,
daß er ſelbſt häßliche Mädchen aufmerkſam und
kritiſch betrachtete und daß er verlegen wurde,
wenn eine hübſche runde und muntere Frau in
der Stube war, während er dieſelbe doch heim¬
licher Weiſe mit den Augen verſchlang. Aus
dieſen drei Zeichen entnahm ſie zwei Dinge:
erſtens, daß noch nichts an ihm verdorben ſei,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/149>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.