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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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glich vollständig einem kleinen Sankt Georg.
Seine goldenen Ringellocken flogen um das vom
Schlafe geröthete Gesicht, feurig blickten aber
die blauen Augen in lieblichem Zorn und muthig
warf sich der trotzige Mund auf. Das kurze
schneeige Hemdchen flatterte wie die Tunika eines
Kreuzfahrers und in den nackten Ärmchen schwang
der kleine Rittersmann eine lange Gardinen¬
stange mit dickem vergoldetem Knopf, den er auch
mit aller erdenklichen Kraft dem aufspringenden
Werkmeister auf den Kopf schlug, daß sich dieser
die entstehende Beule verlegen rieb und ihm
ordentlich die Augen übergingen. Frau Amrain
aber hielt den Knaben auf, tief erröthend und
rief: "Was ist Dir denn Fritzchen? Es ist ja
nur der Florian und thut uns nichts!" Der
Knabe fing bitterlich an zu weinen, sich voll
Verlegenheit an die Kniee der Mutter klammernd;
diese hob ihn auf den Arm und das Kind an
sich drückend entließ sie mit einem kaum verhal¬
tenen Lachen den verblüfften Florian, der, obgleich
er den Kleinen gern geohrfeigt hätte, gute Miene
zum bösen Spiel machte und sich verlegen zurück¬
zog. Sie riegelte die Thüre rasch hinter ihm

glich vollſtändig einem kleinen Sankt Georg.
Seine goldenen Ringellocken flogen um das vom
Schlafe geröthete Geſicht, feurig blickten aber
die blauen Augen in lieblichem Zorn und muthig
warf ſich der trotzige Mund auf. Das kurze
ſchneeige Hemdchen flatterte wie die Tunika eines
Kreuzfahrers und in den nackten Ärmchen ſchwang
der kleine Rittersmann eine lange Gardinen¬
ſtange mit dickem vergoldetem Knopf, den er auch
mit aller erdenklichen Kraft dem aufſpringenden
Werkmeiſter auf den Kopf ſchlug, daß ſich dieſer
die entſtehende Beule verlegen rieb und ihm
ordentlich die Augen übergingen. Frau Amrain
aber hielt den Knaben auf, tief erröthend und
rief: »Was iſt Dir denn Fritzchen? Es iſt ja
nur der Florian und thut uns nichts!« Der
Knabe fing bitterlich an zu weinen, ſich voll
Verlegenheit an die Kniee der Mutter klammernd;
dieſe hob ihn auf den Arm und das Kind an
ſich drückend entließ ſie mit einem kaum verhal¬
tenen Lachen den verblüfften Florian, der, obgleich
er den Kleinen gern geohrfeigt hätte, gute Miene
zum böſen Spiel machte und ſich verlegen zurück¬
zog. Sie riegelte die Thüre raſch hinter ihm

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[125/0137] glich vollſtändig einem kleinen Sankt Georg. Seine goldenen Ringellocken flogen um das vom Schlafe geröthete Geſicht, feurig blickten aber die blauen Augen in lieblichem Zorn und muthig warf ſich der trotzige Mund auf. Das kurze ſchneeige Hemdchen flatterte wie die Tunika eines Kreuzfahrers und in den nackten Ärmchen ſchwang der kleine Rittersmann eine lange Gardinen¬ ſtange mit dickem vergoldetem Knopf, den er auch mit aller erdenklichen Kraft dem aufſpringenden Werkmeiſter auf den Kopf ſchlug, daß ſich dieſer die entſtehende Beule verlegen rieb und ihm ordentlich die Augen übergingen. Frau Amrain aber hielt den Knaben auf, tief erröthend und rief: »Was iſt Dir denn Fritzchen? Es iſt ja nur der Florian und thut uns nichts!« Der Knabe fing bitterlich an zu weinen, ſich voll Verlegenheit an die Kniee der Mutter klammernd; dieſe hob ihn auf den Arm und das Kind an ſich drückend entließ ſie mit einem kaum verhal¬ tenen Lachen den verblüfften Florian, der, obgleich er den Kleinen gern geohrfeigt hätte, gute Miene zum böſen Spiel machte und ſich verlegen zurück¬ zog. Sie riegelte die Thüre raſch hinter ihm

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/137>, abgerufen am 04.12.2024.