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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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eine solche Entschlossenheit, Rührigkeit und Be¬
sonnenheit, daß nichts gegen sie auszurichten war
und sie wirklich die Besitzerin des Steinbruches
wurde. Sie ließ fleißig und ordentlich darin
arbeiten unter der Leitung eines guten fremden
Werkführers und gründete zum ersten Mal die
Unternehmung, statt auf den Scheinverkehr, auf
wirkliche Produktion. Hieran wollte man sie
nun erst recht behindern, allein es war nicht
gegen sie aufzukommen, da sie als Frau und
sparsame Mutter keine Ausgaben hatte im Ver¬
gleich zu den Herren von Seldwyla und daher
auf die einfachste Weise im Stande war, alle
Stürme abzuschlagen und alle begründeten For¬
derungen zu bezahlen. Aber dennoch hielt es
schwer und sie mußte Tag und Nacht mit Muth,
List und Kraft bei der Hand sein, sinnen und
sorgen, um sich zu behaupten.

Frau Regel hatte von auswärts in das
Städtchen geheirathet und war eine sehr frische,
große und handfeste Dame mit kräftigen schwar¬
zen Haarflechten und einem festen dunklen Blick.
Von ihrem Manne hatte sie drei Buben von
ungefähr zehn, acht und fünf Jahren, welche sie

eine ſolche Entſchloſſenheit, Rührigkeit und Be¬
ſonnenheit, daß nichts gegen ſie auszurichten war
und ſie wirklich die Beſitzerin des Steinbruches
wurde. Sie ließ fleißig und ordentlich darin
arbeiten unter der Leitung eines guten fremden
Werkführers und gründete zum erſten Mal die
Unternehmung, ſtatt auf den Scheinverkehr, auf
wirkliche Produktion. Hieran wollte man ſie
nun erſt recht behindern, allein es war nicht
gegen ſie aufzukommen, da ſie als Frau und
ſparſame Mutter keine Ausgaben hatte im Ver¬
gleich zu den Herren von Seldwyla und daher
auf die einfachſte Weiſe im Stande war, alle
Stürme abzuſchlagen und alle begründeten For¬
derungen zu bezahlen. Aber dennoch hielt es
ſchwer und ſie mußte Tag und Nacht mit Muth,
Liſt und Kraft bei der Hand ſein, ſinnen und
ſorgen, um ſich zu behaupten.

Frau Regel hatte von auswärts in das
Städtchen geheirathet und war eine ſehr friſche,
große und handfeſte Dame mit kräftigen ſchwar¬
zen Haarflechten und einem feſten dunklen Blick.
Von ihrem Manne hatte ſie drei Buben von
ungefähr zehn, acht und fünf Jahren, welche ſie

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[117/0129] eine ſolche Entſchloſſenheit, Rührigkeit und Be¬ ſonnenheit, daß nichts gegen ſie auszurichten war und ſie wirklich die Beſitzerin des Steinbruches wurde. Sie ließ fleißig und ordentlich darin arbeiten unter der Leitung eines guten fremden Werkführers und gründete zum erſten Mal die Unternehmung, ſtatt auf den Scheinverkehr, auf wirkliche Produktion. Hieran wollte man ſie nun erſt recht behindern, allein es war nicht gegen ſie aufzukommen, da ſie als Frau und ſparſame Mutter keine Ausgaben hatte im Ver¬ gleich zu den Herren von Seldwyla und daher auf die einfachſte Weiſe im Stande war, alle Stürme abzuſchlagen und alle begründeten For¬ derungen zu bezahlen. Aber dennoch hielt es ſchwer und ſie mußte Tag und Nacht mit Muth, Liſt und Kraft bei der Hand ſein, ſinnen und ſorgen, um ſich zu behaupten. Frau Regel hatte von auswärts in das Städtchen geheirathet und war eine ſehr friſche, große und handfeſte Dame mit kräftigen ſchwar¬ zen Haarflechten und einem feſten dunklen Blick. Von ihrem Manne hatte ſie drei Buben von ungefähr zehn, acht und fünf Jahren, welche ſie

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/129>, abgerufen am 03.05.2024.