greifende und überzeugende Gabe besitzen, für ihren anspruchsvollen Körperbau zu sorgen, und die Nahrungsmittel können sich demselben nicht lange entziehen, sondern werden von dem Mag¬ netgebirge des Bauches mächtig angezogen. So fraß sich der landflüchtige Amrain auch glücklich durch die Fernen, und obgleich er nichts Großes mehr wurde, aß und trank er doch irgendwo in der Fremde so weidlich wie zu Hause.
Doch den Seldwylern, welche jetzt rathschlag¬ ten, welcher von ihnen nun am tauglichsten wäre, eine Zeitlang die Honneurs am Steinbruch zu machen, wurde abermals ein Strich durch die Rechnung gezogen, als die zurückgebliebene Ehe¬ frau des Herrn Amrain unerwartet ihren Fuß auf den Sandstein setzte und kraft ihres herzu¬ gebrachten Weibergutes den Steinbruch an sich zog und erklärte, das Geschäft fortsetzen und möglicherweise die Gläubiger ihres Mannes be¬ friedigen zu wollen. Sie that dies erst, als derselbe schon jenseits des atlantischen Weltmeers war und nicht mehr zurückkommen konnte. Man suchte sie auf jede Weise von diesem Vorhaben abzubringen und zu hindern; allein sie zeigte
greifende und überzeugende Gabe beſitzen, für ihren anſpruchsvollen Körperbau zu ſorgen, und die Nahrungsmittel können ſich demſelben nicht lange entziehen, ſondern werden von dem Mag¬ netgebirge des Bauches mächtig angezogen. So fraß ſich der landflüchtige Amrain auch glücklich durch die Fernen, und obgleich er nichts Großes mehr wurde, aß und trank er doch irgendwo in der Fremde ſo weidlich wie zu Hauſe.
Doch den Seldwylern, welche jetzt rathſchlag¬ ten, welcher von ihnen nun am tauglichſten wäre, eine Zeitlang die Honneurs am Steinbruch zu machen, wurde abermals ein Strich durch die Rechnung gezogen, als die zurückgebliebene Ehe¬ frau des Herrn Amrain unerwartet ihren Fuß auf den Sandſtein ſetzte und kraft ihres herzu¬ gebrachten Weibergutes den Steinbruch an ſich zog und erklärte, das Geſchäft fortſetzen und möglicherweiſe die Gläubiger ihres Mannes be¬ friedigen zu wollen. Sie that dies erſt, als derſelbe ſchon jenſeits des atlantiſchen Weltmeers war und nicht mehr zurückkommen konnte. Man ſuchte ſie auf jede Weiſe von dieſem Vorhaben abzubringen und zu hindern; allein ſie zeigte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0128"n="116"/>
greifende und überzeugende Gabe beſitzen, für<lb/>
ihren anſpruchsvollen Körperbau zu ſorgen, und<lb/>
die Nahrungsmittel können ſich demſelben nicht<lb/>
lange entziehen, ſondern werden von dem Mag¬<lb/>
netgebirge des Bauches mächtig angezogen. So<lb/>
fraß ſich der landflüchtige Amrain auch glücklich<lb/>
durch die Fernen, und obgleich er nichts Großes<lb/>
mehr wurde, aß und trank er doch irgendwo in<lb/>
der Fremde ſo weidlich wie zu Hauſe.</p><lb/><p>Doch den Seldwylern, welche jetzt rathſchlag¬<lb/>
ten, welcher von ihnen nun am tauglichſten wäre,<lb/>
eine Zeitlang die Honneurs am Steinbruch zu<lb/>
machen, wurde abermals ein Strich durch die<lb/>
Rechnung gezogen, als die zurückgebliebene Ehe¬<lb/>
frau des Herrn Amrain unerwartet ihren Fuß<lb/>
auf den Sandſtein ſetzte und kraft ihres herzu¬<lb/>
gebrachten Weibergutes den Steinbruch an ſich<lb/>
zog und erklärte, das Geſchäft fortſetzen und<lb/>
möglicherweiſe die Gläubiger ihres Mannes be¬<lb/>
friedigen zu wollen. Sie that dies erſt, als<lb/>
derſelbe ſchon jenſeits des atlantiſchen Weltmeers<lb/>
war und nicht mehr zurückkommen konnte. Man<lb/>ſuchte ſie auf jede Weiſe von dieſem Vorhaben<lb/>
abzubringen und zu hindern; allein ſie zeigte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[116/0128]
greifende und überzeugende Gabe beſitzen, für
ihren anſpruchsvollen Körperbau zu ſorgen, und
die Nahrungsmittel können ſich demſelben nicht
lange entziehen, ſondern werden von dem Mag¬
netgebirge des Bauches mächtig angezogen. So
fraß ſich der landflüchtige Amrain auch glücklich
durch die Fernen, und obgleich er nichts Großes
mehr wurde, aß und trank er doch irgendwo in
der Fremde ſo weidlich wie zu Hauſe.
Doch den Seldwylern, welche jetzt rathſchlag¬
ten, welcher von ihnen nun am tauglichſten wäre,
eine Zeitlang die Honneurs am Steinbruch zu
machen, wurde abermals ein Strich durch die
Rechnung gezogen, als die zurückgebliebene Ehe¬
frau des Herrn Amrain unerwartet ihren Fuß
auf den Sandſtein ſetzte und kraft ihres herzu¬
gebrachten Weibergutes den Steinbruch an ſich
zog und erklärte, das Geſchäft fortſetzen und
möglicherweiſe die Gläubiger ihres Mannes be¬
friedigen zu wollen. Sie that dies erſt, als
derſelbe ſchon jenſeits des atlantiſchen Weltmeers
war und nicht mehr zurückkommen konnte. Man
ſuchte ſie auf jede Weiſe von dieſem Vorhaben
abzubringen und zu hindern; allein ſie zeigte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/128>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.