Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

greifende und überzeugende Gabe besitzen, für
ihren anspruchsvollen Körperbau zu sorgen, und
die Nahrungsmittel können sich demselben nicht
lange entziehen, sondern werden von dem Mag¬
netgebirge des Bauches mächtig angezogen. So
fraß sich der landflüchtige Amrain auch glücklich
durch die Fernen, und obgleich er nichts Großes
mehr wurde, aß und trank er doch irgendwo in
der Fremde so weidlich wie zu Hause.

Doch den Seldwylern, welche jetzt rathschlag¬
ten, welcher von ihnen nun am tauglichsten wäre,
eine Zeitlang die Honneurs am Steinbruch zu
machen, wurde abermals ein Strich durch die
Rechnung gezogen, als die zurückgebliebene Ehe¬
frau des Herrn Amrain unerwartet ihren Fuß
auf den Sandstein setzte und kraft ihres herzu¬
gebrachten Weibergutes den Steinbruch an sich
zog und erklärte, das Geschäft fortsetzen und
möglicherweise die Gläubiger ihres Mannes be¬
friedigen zu wollen. Sie that dies erst, als
derselbe schon jenseits des atlantischen Weltmeers
war und nicht mehr zurückkommen konnte. Man
suchte sie auf jede Weise von diesem Vorhaben
abzubringen und zu hindern; allein sie zeigte

greifende und überzeugende Gabe beſitzen, für
ihren anſpruchsvollen Körperbau zu ſorgen, und
die Nahrungsmittel können ſich demſelben nicht
lange entziehen, ſondern werden von dem Mag¬
netgebirge des Bauches mächtig angezogen. So
fraß ſich der landflüchtige Amrain auch glücklich
durch die Fernen, und obgleich er nichts Großes
mehr wurde, aß und trank er doch irgendwo in
der Fremde ſo weidlich wie zu Hauſe.

Doch den Seldwylern, welche jetzt rathſchlag¬
ten, welcher von ihnen nun am tauglichſten wäre,
eine Zeitlang die Honneurs am Steinbruch zu
machen, wurde abermals ein Strich durch die
Rechnung gezogen, als die zurückgebliebene Ehe¬
frau des Herrn Amrain unerwartet ihren Fuß
auf den Sandſtein ſetzte und kraft ihres herzu¬
gebrachten Weibergutes den Steinbruch an ſich
zog und erklärte, das Geſchäft fortſetzen und
möglicherweiſe die Gläubiger ihres Mannes be¬
friedigen zu wollen. Sie that dies erſt, als
derſelbe ſchon jenſeits des atlantiſchen Weltmeers
war und nicht mehr zurückkommen konnte. Man
ſuchte ſie auf jede Weiſe von dieſem Vorhaben
abzubringen und zu hindern; allein ſie zeigte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0128" n="116"/>
greifende und überzeugende Gabe be&#x017F;itzen, für<lb/>
ihren an&#x017F;pruchsvollen Körperbau zu &#x017F;orgen, und<lb/>
die Nahrungsmittel können &#x017F;ich dem&#x017F;elben nicht<lb/>
lange entziehen, &#x017F;ondern werden von dem Mag¬<lb/>
netgebirge des Bauches mächtig angezogen. So<lb/>
fraß &#x017F;ich der landflüchtige Amrain auch glücklich<lb/>
durch die Fernen, und obgleich er nichts Großes<lb/>
mehr wurde, aß und trank er doch irgendwo in<lb/>
der Fremde &#x017F;o weidlich wie zu Hau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Doch den Seldwylern, welche jetzt rath&#x017F;chlag¬<lb/>
ten, welcher von ihnen nun am tauglich&#x017F;ten wäre,<lb/>
eine Zeitlang die Honneurs am Steinbruch zu<lb/>
machen, wurde abermals ein Strich durch die<lb/>
Rechnung gezogen, als die zurückgebliebene Ehe¬<lb/>
frau des Herrn Amrain unerwartet ihren Fuß<lb/>
auf den Sand&#x017F;tein &#x017F;etzte und kraft ihres herzu¬<lb/>
gebrachten Weibergutes den Steinbruch an &#x017F;ich<lb/>
zog und erklärte, das Ge&#x017F;chäft fort&#x017F;etzen und<lb/>
möglicherwei&#x017F;e die Gläubiger ihres Mannes be¬<lb/>
friedigen zu wollen. Sie that dies er&#x017F;t, als<lb/>
der&#x017F;elbe &#x017F;chon jen&#x017F;eits des atlanti&#x017F;chen Weltmeers<lb/>
war und nicht mehr zurückkommen konnte. Man<lb/>
&#x017F;uchte &#x017F;ie auf jede Wei&#x017F;e von die&#x017F;em Vorhaben<lb/>
abzubringen und zu hindern; allein &#x017F;ie zeigte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0128] greifende und überzeugende Gabe beſitzen, für ihren anſpruchsvollen Körperbau zu ſorgen, und die Nahrungsmittel können ſich demſelben nicht lange entziehen, ſondern werden von dem Mag¬ netgebirge des Bauches mächtig angezogen. So fraß ſich der landflüchtige Amrain auch glücklich durch die Fernen, und obgleich er nichts Großes mehr wurde, aß und trank er doch irgendwo in der Fremde ſo weidlich wie zu Hauſe. Doch den Seldwylern, welche jetzt rathſchlag¬ ten, welcher von ihnen nun am tauglichſten wäre, eine Zeitlang die Honneurs am Steinbruch zu machen, wurde abermals ein Strich durch die Rechnung gezogen, als die zurückgebliebene Ehe¬ frau des Herrn Amrain unerwartet ihren Fuß auf den Sandſtein ſetzte und kraft ihres herzu¬ gebrachten Weibergutes den Steinbruch an ſich zog und erklärte, das Geſchäft fortſetzen und möglicherweiſe die Gläubiger ihres Mannes be¬ friedigen zu wollen. Sie that dies erſt, als derſelbe ſchon jenſeits des atlantiſchen Weltmeers war und nicht mehr zurückkommen konnte. Man ſuchte ſie auf jede Weiſe von dieſem Vorhaben abzubringen und zu hindern; allein ſie zeigte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/128
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/128>, abgerufen am 04.05.2024.