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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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ich sie wieder gesehen und einige Worte sprechen
gehört, so war ich wieder ganz in sie vernarrt
und in meiner fixen Idee vollends bestärkt, und
es schien mir unmöglich, ohne die Verwirklichung
derselben je froh zu werden."

"Allein sie betrieb nun das Geschäft in
krankhafter Überspannung ganz offen und großartig
und fröhnte ihrer unglücklichen Selbstsucht ohne
allen Rückhalt. Sie war nun umgeben von einer
Schaar ziemlich roher und eitler Offiziere, die
ihr auf ganz ordinäre Weise den Hof machten
und sagten, was sie gern hören mochte, kam es
auch heraus, wie es wollte. Es war eine voll¬
ständige Hetzjagd von Trivialitäten und hohlem
Wesen und die derbsten Zudringlichkeiten wurden
am liebsten angenommen, wenn sie nur aus gänz¬
licher Ergebenheit herzurühren schienen und die
Unglückliche in ihrem Glauben an sich selbst auf¬
recht erhielten. Außerdem hatte sie zur Zeit einem
armen Tambour mit einem einzigen Blicke den
Kopf verdreht, der nun ganz aufgeblasen umher¬
ging und sich ihr überall in den Weg stellte; und
einen Schuster, der für sie arbeitete, hatte sie
dermaßen bethört, daß er jedesmal, wenn er ihr

ich ſie wieder geſehen und einige Worte ſprechen
gehört, ſo war ich wieder ganz in ſie vernarrt
und in meiner fixen Idee vollends beſtärkt, und
es ſchien mir unmöglich, ohne die Verwirklichung
derſelben je froh zu werden.«

»Allein ſie betrieb nun das Geſchäft in
krankhafter Überſpannung ganz offen und großartig
und fröhnte ihrer unglücklichen Selbſtſucht ohne
allen Rückhalt. Sie war nun umgeben von einer
Schaar ziemlich roher und eitler Offiziere, die
ihr auf ganz ordinäre Weiſe den Hof machten
und ſagten, was ſie gern hören mochte, kam es
auch heraus, wie es wollte. Es war eine voll¬
ſtändige Hetzjagd von Trivialitäten und hohlem
Weſen und die derbſten Zudringlichkeiten wurden
am liebſten angenommen, wenn ſie nur aus gänz¬
licher Ergebenheit herzurühren ſchienen und die
Unglückliche in ihrem Glauben an ſich ſelbſt auf¬
recht erhielten. Außerdem hatte ſie zur Zeit einem
armen Tambour mit einem einzigen Blicke den
Kopf verdreht, der nun ganz aufgeblaſen umher¬
ging und ſich ihr überall in den Weg ſtellte; und
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[98/0110] ich ſie wieder geſehen und einige Worte ſprechen gehört, ſo war ich wieder ganz in ſie vernarrt und in meiner fixen Idee vollends beſtärkt, und es ſchien mir unmöglich, ohne die Verwirklichung derſelben je froh zu werden.« »Allein ſie betrieb nun das Geſchäft in krankhafter Überſpannung ganz offen und großartig und fröhnte ihrer unglücklichen Selbſtſucht ohne allen Rückhalt. Sie war nun umgeben von einer Schaar ziemlich roher und eitler Offiziere, die ihr auf ganz ordinäre Weiſe den Hof machten und ſagten, was ſie gern hören mochte, kam es auch heraus, wie es wollte. Es war eine voll¬ ſtändige Hetzjagd von Trivialitäten und hohlem Weſen und die derbſten Zudringlichkeiten wurden am liebſten angenommen, wenn ſie nur aus gänz¬ licher Ergebenheit herzurühren ſchienen und die Unglückliche in ihrem Glauben an ſich ſelbſt auf¬ recht erhielten. Außerdem hatte ſie zur Zeit einem armen Tambour mit einem einzigen Blicke den Kopf verdreht, der nun ganz aufgeblaſen umher¬ ging und ſich ihr überall in den Weg ſtellte; und einen Schuſter, der für ſie arbeitete, hatte ſie dermaßen bethört, daß er jedesmal, wenn er ihr

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/110>, abgerufen am 12.12.2024.