kein Mensch den zwei Ringenden ihr Ziel zeigte, des Meisters Haus, an welchem sie endlich ange¬ langt. Sie selber sahen es nicht, sie sahen überhaupt nichts, und so wälzte sich der tolle Zug durch das ganze Städtchen und zum andern Thore wieder hinaus. Der Meister hatte lachend unter dem Fenster gelegen, und nachdem er noch ein Stündchen auf den endlichen Sieger gewartet, wollte er eben weggehen, um die Früchte seines Schwankes zu genießen, als Dietrich und Züs still und unversehens bei ihm eintraten.
Diese hatten nämlich unterdessen ihre Ge¬ danken zusammen gethan und berathen, daß der Kammmachermeister wohl geneigt sein dürfte, da er doch nicht lang mehr machen würde, sein Geschäft gegen eine baare Summe zu verkaufen. Züs wollte ihren Gültbrief dazu hergeben und der Schwabe sein Geldchen auch dazuthun, und dann wären sie die Herren der Sachlage und könnten die andern zwei auslachen. Sie trugen ihre Vereinigung dem überraschten Meister vor; die¬ sem leuchtete es sogleich ein, hinter dem Rücken seiner Gläubiger, ehe es zum Bruch kam, noch schnell den Handel abzuschließen und unverhofft
kein Menſch den zwei Ringenden ihr Ziel zeigte, des Meiſters Haus, an welchem ſie endlich ange¬ langt. Sie ſelber ſahen es nicht, ſie ſahen überhaupt nichts, und ſo wälzte ſich der tolle Zug durch das ganze Städtchen und zum andern Thore wieder hinaus. Der Meiſter hatte lachend unter dem Fenſter gelegen, und nachdem er noch ein Stündchen auf den endlichen Sieger gewartet, wollte er eben weggehen, um die Früchte ſeines Schwankes zu genießen, als Dietrich und Züs ſtill und unverſehens bei ihm eintraten.
Dieſe hatten nämlich unterdeſſen ihre Ge¬ danken zuſammen gethan und berathen, daß der Kammmachermeiſter wohl geneigt ſein dürfte, da er doch nicht lang mehr machen würde, ſein Geſchäft gegen eine baare Summe zu verkaufen. Züs wollte ihren Gültbrief dazu hergeben und der Schwabe ſein Geldchen auch dazuthun, und dann wären ſie die Herren der Sachlage und könnten die andern zwei auslachen. Sie trugen ihre Vereinigung dem überraſchten Meiſter vor; die¬ ſem leuchtete es ſogleich ein, hinter dem Rücken ſeiner Gläubiger, ehe es zum Bruch kam, noch ſchnell den Handel abzuſchließen und unverhofft
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0456"n="444"/>
kein Menſch den zwei Ringenden ihr Ziel zeigte,<lb/>
des Meiſters Haus, an welchem ſie endlich ange¬<lb/>
langt. Sie ſelber ſahen es nicht, ſie ſahen<lb/>
überhaupt nichts, und ſo wälzte ſich der tolle<lb/>
Zug durch das ganze Städtchen und zum andern<lb/>
Thore wieder hinaus. Der Meiſter hatte lachend<lb/>
unter dem Fenſter gelegen, und nachdem er noch<lb/>
ein Stündchen auf den endlichen Sieger gewartet,<lb/>
wollte er eben weggehen, um die Früchte ſeines<lb/>
Schwankes zu genießen, als Dietrich und Züs<lb/>ſtill und unverſehens bei ihm eintraten.</p><lb/><p>Dieſe hatten nämlich unterdeſſen ihre Ge¬<lb/>
danken zuſammen gethan und berathen, daß der<lb/>
Kammmachermeiſter wohl geneigt ſein dürfte, da er<lb/>
doch nicht lang mehr machen würde, ſein Geſchäft<lb/>
gegen eine baare Summe zu verkaufen. Züs<lb/>
wollte ihren Gültbrief dazu hergeben und der<lb/>
Schwabe ſein Geldchen auch dazuthun, und dann<lb/>
wären ſie die Herren der Sachlage und könnten<lb/>
die andern zwei auslachen. Sie trugen ihre<lb/>
Vereinigung dem überraſchten Meiſter vor; die¬<lb/>ſem leuchtete es ſogleich ein, hinter dem Rücken<lb/>ſeiner Gläubiger, ehe es zum Bruch kam, noch<lb/>ſchnell den Handel abzuſchließen und unverhofft<lb/></p></div></body></text></TEI>
[444/0456]
kein Menſch den zwei Ringenden ihr Ziel zeigte,
des Meiſters Haus, an welchem ſie endlich ange¬
langt. Sie ſelber ſahen es nicht, ſie ſahen
überhaupt nichts, und ſo wälzte ſich der tolle
Zug durch das ganze Städtchen und zum andern
Thore wieder hinaus. Der Meiſter hatte lachend
unter dem Fenſter gelegen, und nachdem er noch
ein Stündchen auf den endlichen Sieger gewartet,
wollte er eben weggehen, um die Früchte ſeines
Schwankes zu genießen, als Dietrich und Züs
ſtill und unverſehens bei ihm eintraten.
Dieſe hatten nämlich unterdeſſen ihre Ge¬
danken zuſammen gethan und berathen, daß der
Kammmachermeiſter wohl geneigt ſein dürfte, da er
doch nicht lang mehr machen würde, ſein Geſchäft
gegen eine baare Summe zu verkaufen. Züs
wollte ihren Gültbrief dazu hergeben und der
Schwabe ſein Geldchen auch dazuthun, und dann
wären ſie die Herren der Sachlage und könnten
die andern zwei auslachen. Sie trugen ihre
Vereinigung dem überraſchten Meiſter vor; die¬
ſem leuchtete es ſogleich ein, hinter dem Rücken
ſeiner Gläubiger, ehe es zum Bruch kam, noch
ſchnell den Handel abzuſchließen und unverhofft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/456>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.