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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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kein Mensch den zwei Ringenden ihr Ziel zeigte,
des Meisters Haus, an welchem sie endlich ange¬
langt. Sie selber sahen es nicht, sie sahen
überhaupt nichts, und so wälzte sich der tolle
Zug durch das ganze Städtchen und zum andern
Thore wieder hinaus. Der Meister hatte lachend
unter dem Fenster gelegen, und nachdem er noch
ein Stündchen auf den endlichen Sieger gewartet,
wollte er eben weggehen, um die Früchte seines
Schwankes zu genießen, als Dietrich und Züs
still und unversehens bei ihm eintraten.

Diese hatten nämlich unterdessen ihre Ge¬
danken zusammen gethan und berathen, daß der
Kammmachermeister wohl geneigt sein dürfte, da er
doch nicht lang mehr machen würde, sein Geschäft
gegen eine baare Summe zu verkaufen. Züs
wollte ihren Gültbrief dazu hergeben und der
Schwabe sein Geldchen auch dazuthun, und dann
wären sie die Herren der Sachlage und könnten
die andern zwei auslachen. Sie trugen ihre
Vereinigung dem überraschten Meister vor; die¬
sem leuchtete es sogleich ein, hinter dem Rücken
seiner Gläubiger, ehe es zum Bruch kam, noch
schnell den Handel abzuschließen und unverhofft

kein Menſch den zwei Ringenden ihr Ziel zeigte,
des Meiſters Haus, an welchem ſie endlich ange¬
langt. Sie ſelber ſahen es nicht, ſie ſahen
überhaupt nichts, und ſo wälzte ſich der tolle
Zug durch das ganze Städtchen und zum andern
Thore wieder hinaus. Der Meiſter hatte lachend
unter dem Fenſter gelegen, und nachdem er noch
ein Stündchen auf den endlichen Sieger gewartet,
wollte er eben weggehen, um die Früchte ſeines
Schwankes zu genießen, als Dietrich und Züs
ſtill und unverſehens bei ihm eintraten.

Dieſe hatten nämlich unterdeſſen ihre Ge¬
danken zuſammen gethan und berathen, daß der
Kammmachermeiſter wohl geneigt ſein dürfte, da er
doch nicht lang mehr machen würde, ſein Geſchäft
gegen eine baare Summe zu verkaufen. Züs
wollte ihren Gültbrief dazu hergeben und der
Schwabe ſein Geldchen auch dazuthun, und dann
wären ſie die Herren der Sachlage und könnten
die andern zwei auslachen. Sie trugen ihre
Vereinigung dem überraſchten Meiſter vor; die¬
ſem leuchtete es ſogleich ein, hinter dem Rücken
ſeiner Gläubiger, ehe es zum Bruch kam, noch
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[444/0456] kein Menſch den zwei Ringenden ihr Ziel zeigte, des Meiſters Haus, an welchem ſie endlich ange¬ langt. Sie ſelber ſahen es nicht, ſie ſahen überhaupt nichts, und ſo wälzte ſich der tolle Zug durch das ganze Städtchen und zum andern Thore wieder hinaus. Der Meiſter hatte lachend unter dem Fenſter gelegen, und nachdem er noch ein Stündchen auf den endlichen Sieger gewartet, wollte er eben weggehen, um die Früchte ſeines Schwankes zu genießen, als Dietrich und Züs ſtill und unverſehens bei ihm eintraten. Dieſe hatten nämlich unterdeſſen ihre Ge¬ danken zuſammen gethan und berathen, daß der Kammmachermeiſter wohl geneigt ſein dürfte, da er doch nicht lang mehr machen würde, ſein Geſchäft gegen eine baare Summe zu verkaufen. Züs wollte ihren Gültbrief dazu hergeben und der Schwabe ſein Geldchen auch dazuthun, und dann wären ſie die Herren der Sachlage und könnten die andern zwei auslachen. Sie trugen ihre Vereinigung dem überraſchten Meiſter vor; die¬ ſem leuchtete es ſogleich ein, hinter dem Rücken ſeiner Gläubiger, ehe es zum Bruch kam, noch ſchnell den Handel abzuſchließen und unverhofft

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/456>, abgerufen am 24.11.2024.