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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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hinstürzte. Wie aber Jobst über ihn wegsprin¬
gen wollte, erwischte ihn der Baier am Rock¬
schoß und zog sich daran in die Höhe; Jobst
schlug ihm auf die Hände und schrie: Laß los,
laß los! Fridolin ließ nicht los, Jobst packte
dafür seinen Rockschoß und nun hielten sie sich
gegenseitig fest und drehten sich langsam zum
Thore hinein, nur zuweilen einen Sprung ver¬
suchend, um einer dem andern zu entrinnen.
Sie weinten, schluchzten und heulten wie Kinder
und schrieen in unsäglicher Beklemmung: O Gott!
laß los! Du lieber Heiland, laß los Jobst! laß los
Fridolin! laß los Du Satan! dazwischen schlugen
sie sich fleißig auf die Hände, kamen aber immer
um ein Weniges vorwärts. Hut und Stock
hatten sie verloren, zwei Buben trugen dieselben, die
Hüte auf die Stöcke gesteckt, voran und hinter
ihnen her wälzte sich der tobende Haufen; alle
Fenster waren von der Damenwelt besetzt,
welche ihr silbernes Gelächter in die unten
tosende Brandung warf, und seit langer Zeit
war man nicht mehr so fröhlich gestimmt ge¬
wesen in dieser Stadt. Das rauschende Ver¬
gnügen schmeckte den Bewohnern so gut, daß

hinſtürzte. Wie aber Jobſt über ihn wegſprin¬
gen wollte, erwiſchte ihn der Baier am Rock¬
ſchoß und zog ſich daran in die Höhe; Jobſt
ſchlug ihm auf die Hände und ſchrie: Laß los,
laß los! Fridolin ließ nicht los, Jobſt packte
dafür ſeinen Rockſchoß und nun hielten ſie ſich
gegenſeitig feſt und drehten ſich langſam zum
Thore hinein, nur zuweilen einen Sprung ver¬
ſuchend, um einer dem andern zu entrinnen.
Sie weinten, ſchluchzten und heulten wie Kinder
und ſchrieen in unſäglicher Beklemmung: O Gott!
laß los! Du lieber Heiland, laß los Jobſt! laß los
Fridolin! laß los Du Satan! dazwiſchen ſchlugen
ſie ſich fleißig auf die Hände, kamen aber immer
um ein Weniges vorwärts. Hut und Stock
hatten ſie verloren, zwei Buben trugen dieſelben, die
Hüte auf die Stöcke geſteckt, voran und hinter
ihnen her wälzte ſich der tobende Haufen; alle
Fenſter waren von der Damenwelt beſetzt,
welche ihr ſilbernes Gelächter in die unten
toſende Brandung warf, und ſeit langer Zeit
war man nicht mehr ſo fröhlich geſtimmt ge¬
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[443/0455] hinſtürzte. Wie aber Jobſt über ihn wegſprin¬ gen wollte, erwiſchte ihn der Baier am Rock¬ ſchoß und zog ſich daran in die Höhe; Jobſt ſchlug ihm auf die Hände und ſchrie: Laß los, laß los! Fridolin ließ nicht los, Jobſt packte dafür ſeinen Rockſchoß und nun hielten ſie ſich gegenſeitig feſt und drehten ſich langſam zum Thore hinein, nur zuweilen einen Sprung ver¬ ſuchend, um einer dem andern zu entrinnen. Sie weinten, ſchluchzten und heulten wie Kinder und ſchrieen in unſäglicher Beklemmung: O Gott! laß los! Du lieber Heiland, laß los Jobſt! laß los Fridolin! laß los Du Satan! dazwiſchen ſchlugen ſie ſich fleißig auf die Hände, kamen aber immer um ein Weniges vorwärts. Hut und Stock hatten ſie verloren, zwei Buben trugen dieſelben, die Hüte auf die Stöcke geſteckt, voran und hinter ihnen her wälzte ſich der tobende Haufen; alle Fenſter waren von der Damenwelt beſetzt, welche ihr ſilbernes Gelächter in die unten toſende Brandung warf, und ſeit langer Zeit war man nicht mehr ſo fröhlich geſtimmt ge¬ weſen in dieſer Stadt. Das rauſchende Ver¬ gnügen ſchmeckte den Bewohnern ſo gut, daß

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/455>, abgerufen am 24.11.2024.