Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

über und tätschelten zuweilen mit den Schuhsoh¬
len gegeneinander, wie wenn sie sich mit den
Füßen die Hände geben wollten. Züs beugte
sich ein wenig vornüber und legte die Hand auf
seine Schulter, und Dietrich wollte eben dies
holde Spiel erwiedern und fortsetzen, als der
Sachse und der Baier zurückkamen und bleich
und stöhnend zuschauten. Denn es war ihnen
von dem vielen Wasser, welches sie an die ge¬
nossenen Backbirnen geschüttet, plötzlich elend ge¬
worden und das Herzeleid, welches sie bei dem
Anblicke des spielenden Paares empfanden, ver¬
einigte sich mit dem öden Gefühle des Bauches,
so daß ihnen der kalte Schweiß auf der Stirne
stand. Züs verlor aber die Fassung nicht, son¬
dern winkte ihnen überaus freundlich zu und
rief: "Kommet, ihr Lieben, und setzet euch doch
auch noch ein bischen zu mir her; daß wir noch
ein Weilchen und zum letzten Mal unsere Eintracht
und Freundschaft genießen!" Jobst und Fridolin
drängten sich hastig herbei und streckten ihre
Beine aus; Züs ließ dem Schwaben die eine
Hand, gab Jobsten die andere und berührte mit
den Füßen Fridolins Stiefelsohlen, während sie

über und tätſchelten zuweilen mit den Schuhſoh¬
len gegeneinander, wie wenn ſie ſich mit den
Füßen die Hände geben wollten. Züs beugte
ſich ein wenig vornüber und legte die Hand auf
ſeine Schulter, und Dietrich wollte eben dies
holde Spiel erwiedern und fortſetzen, als der
Sachſe und der Baier zurückkamen und bleich
und ſtöhnend zuſchauten. Denn es war ihnen
von dem vielen Waſſer, welches ſie an die ge¬
noſſenen Backbirnen geſchüttet, plötzlich elend ge¬
worden und das Herzeleid, welches ſie bei dem
Anblicke des ſpielenden Paares empfanden, ver¬
einigte ſich mit dem öden Gefühle des Bauches,
ſo daß ihnen der kalte Schweiß auf der Stirne
ſtand. Züs verlor aber die Faſſung nicht, ſon¬
dern winkte ihnen überaus freundlich zu und
rief: »Kommet, ihr Lieben, und ſetzet euch doch
auch noch ein bischen zu mir her; daß wir noch
ein Weilchen und zum letzten Mal unſere Eintracht
und Freundſchaft genießen!« Jobſt und Fridolin
drängten ſich haſtig herbei und ſtreckten ihre
Beine aus; Züs ließ dem Schwaben die eine
Hand, gab Jobſten die andere und berührte mit
den Füßen Fridolins Stiefelſohlen, während ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0443" n="431"/>
über und tät&#x017F;chelten zuweilen mit den Schuh&#x017F;oh¬<lb/>
len gegeneinander, wie wenn &#x017F;ie &#x017F;ich mit den<lb/>
Füßen die Hände geben wollten. Züs beugte<lb/>
&#x017F;ich ein wenig vornüber und legte die Hand auf<lb/>
&#x017F;eine Schulter, und Dietrich wollte eben dies<lb/>
holde Spiel erwiedern und fort&#x017F;etzen, als der<lb/>
Sach&#x017F;e und der Baier zurückkamen und bleich<lb/>
und &#x017F;töhnend zu&#x017F;chauten. Denn es war ihnen<lb/>
von dem vielen Wa&#x017F;&#x017F;er, welches &#x017F;ie an die ge¬<lb/>
no&#x017F;&#x017F;enen Backbirnen ge&#x017F;chüttet, plötzlich elend ge¬<lb/>
worden und das Herzeleid, welches &#x017F;ie bei dem<lb/>
Anblicke des &#x017F;pielenden Paares empfanden, ver¬<lb/>
einigte &#x017F;ich mit dem öden Gefühle des Bauches,<lb/>
&#x017F;o daß ihnen der kalte Schweiß auf der Stirne<lb/>
&#x017F;tand. Züs verlor aber die Fa&#x017F;&#x017F;ung nicht, &#x017F;on¬<lb/>
dern winkte ihnen überaus freundlich zu und<lb/>
rief: »Kommet, ihr Lieben, und &#x017F;etzet euch doch<lb/>
auch noch ein bischen zu mir her; daß wir noch<lb/>
ein Weilchen und zum letzten Mal un&#x017F;ere Eintracht<lb/>
und Freund&#x017F;chaft genießen!« Job&#x017F;t und Fridolin<lb/>
drängten &#x017F;ich ha&#x017F;tig herbei und &#x017F;treckten ihre<lb/>
Beine aus; Züs ließ dem Schwaben die eine<lb/>
Hand, gab Job&#x017F;ten die andere und berührte mit<lb/>
den Füßen Fridolins Stiefel&#x017F;ohlen, während &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0443] über und tätſchelten zuweilen mit den Schuhſoh¬ len gegeneinander, wie wenn ſie ſich mit den Füßen die Hände geben wollten. Züs beugte ſich ein wenig vornüber und legte die Hand auf ſeine Schulter, und Dietrich wollte eben dies holde Spiel erwiedern und fortſetzen, als der Sachſe und der Baier zurückkamen und bleich und ſtöhnend zuſchauten. Denn es war ihnen von dem vielen Waſſer, welches ſie an die ge¬ noſſenen Backbirnen geſchüttet, plötzlich elend ge¬ worden und das Herzeleid, welches ſie bei dem Anblicke des ſpielenden Paares empfanden, ver¬ einigte ſich mit dem öden Gefühle des Bauches, ſo daß ihnen der kalte Schweiß auf der Stirne ſtand. Züs verlor aber die Faſſung nicht, ſon¬ dern winkte ihnen überaus freundlich zu und rief: »Kommet, ihr Lieben, und ſetzet euch doch auch noch ein bischen zu mir her; daß wir noch ein Weilchen und zum letzten Mal unſere Eintracht und Freundſchaft genießen!« Jobſt und Fridolin drängten ſich haſtig herbei und ſtreckten ihre Beine aus; Züs ließ dem Schwaben die eine Hand, gab Jobſten die andere und berührte mit den Füßen Fridolins Stiefelſohlen, während ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/443
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/443>, abgerufen am 26.11.2024.