suchten im Gehölz nach Wasser, fanden eine Quelle und tranken sich voll kaltes Wasser. Der Schwabe hingegen hatte listiger Weise ein Fläsch¬ chen mitgenommen, in welchem er Kirschgeist mit Wasser und Zucker gemischt, welches liebliche Getränk ihn stärken und ihm einen Vorschub gewähren sollte beim Laufen; denn er wußte, daß die Andern zu sparsam waren, um etwas mitzunehmen oder eine Einkehr zu halten. Dies Fläschchen zog er jetzt eilig hervor, während jene sich mit Wasser füllten, und bot es der Jungfer Züs an; sie trank es halb aus, es schmeckte ihr vortrefflich und erquickte sie und sie sah den Dietrich dabei überquer ganz holdselig an, daß ihm der Rest, welchen er selber trank, so lieblich schmeckte wie Cyperwein und ihn gewaltig stärkte. Er konnte sich nicht enthalten, Züsis Hand zu ergreifen und ihr zierlich die Fingerspitzen zu küssen; sie tippte ihm leicht mit dem Zeigefinger auf die Lippen und er that, als ob er darnach schnappen wollte und machte dazu ein Maul, wie ein lächelnder Karpfen; Züs schmunzelte falsch und freundlich, Dietrich schmunzelte schlau und süßlich; sie saßen auf der Erde sich gegen¬
ſuchten im Gehölz nach Waſſer, fanden eine Quelle und tranken ſich voll kaltes Waſſer. Der Schwabe hingegen hatte liſtiger Weiſe ein Fläſch¬ chen mitgenommen, in welchem er Kirſchgeiſt mit Waſſer und Zucker gemiſcht, welches liebliche Getränk ihn ſtärken und ihm einen Vorſchub gewähren ſollte beim Laufen; denn er wußte, daß die Andern zu ſparſam waren, um etwas mitzunehmen oder eine Einkehr zu halten. Dies Fläſchchen zog er jetzt eilig hervor, während jene ſich mit Waſſer füllten, und bot es der Jungfer Züs an; ſie trank es halb aus, es ſchmeckte ihr vortrefflich und erquickte ſie und ſie ſah den Dietrich dabei überquer ganz holdſelig an, daß ihm der Reſt, welchen er ſelber trank, ſo lieblich ſchmeckte wie Cyperwein und ihn gewaltig ſtärkte. Er konnte ſich nicht enthalten, Züſis Hand zu ergreifen und ihr zierlich die Fingerſpitzen zu küſſen; ſie tippte ihm leicht mit dem Zeigefinger auf die Lippen und er that, als ob er darnach ſchnappen wollte und machte dazu ein Maul, wie ein lächelnder Karpfen; Züs ſchmunzelte falſch und freundlich, Dietrich ſchmunzelte ſchlau und ſüßlich; ſie ſaßen auf der Erde ſich gegen¬
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ſuchten im Gehölz nach Waſſer, fanden eine
Quelle und tranken ſich voll kaltes Waſſer. Der
Schwabe hingegen hatte liſtiger Weiſe ein Fläſch¬
chen mitgenommen, in welchem er Kirſchgeiſt mit
Waſſer und Zucker gemiſcht, welches liebliche
Getränk ihn ſtärken und ihm einen Vorſchub
gewähren ſollte beim Laufen; denn er wußte,
daß die Andern zu ſparſam waren, um etwas
mitzunehmen oder eine Einkehr zu halten. Dies
Fläſchchen zog er jetzt eilig hervor, während jene
ſich mit Waſſer füllten, und bot es der Jungfer
Züs an; ſie trank es halb aus, es ſchmeckte
ihr vortrefflich und erquickte ſie und ſie ſah den
Dietrich dabei überquer ganz holdſelig an, daß
ihm der Reſt, welchen er ſelber trank, ſo lieblich
ſchmeckte wie Cyperwein und ihn gewaltig ſtärkte.
Er konnte ſich nicht enthalten, Züſis Hand zu
ergreifen und ihr zierlich die Fingerſpitzen zu
küſſen; ſie tippte ihm leicht mit dem Zeigefinger
auf die Lippen und er that, als ob er darnach
ſchnappen wollte und machte dazu ein Maul,
wie ein lächelnder Karpfen; Züs ſchmunzelte
falſch und freundlich, Dietrich ſchmunzelte ſchlau
und ſüßlich; ſie ſaßen auf der Erde ſich gegen¬
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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/442>, abgerufen am 26.11.2024.
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