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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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diese Lampe und dieser Rosenstock sind die letzten
Ueberbleibsel von meinem Erbe, und damit habe ich
mich hier niedergelassen, um das Leben zu beginnen,
das Jene verlassen hat, welche vor mir hier wohnte!"

"Ei, so soll dich doch -- !" rief der Mönch und
schlug die Hände zusammen, "seht mir einmal an,
wie fleißig der Teufel ist! Und dies harmlose Thier¬
lein hier sagt das Ding so trocken daher, wie wenn
ich nicht der Vitalis wäre! Nun, mein Kätzchen,
was willst du thun? Sag's doch noch einmal!"

"Ich will mich der Liebe weihen und den Män¬
nern dienen, so lange diese Rose lebt!" sagte sie und
zeigte flüchtig auf den Strauch; doch brachte sie die
Worte kaum heraus und versank vor Scheu beinahe
in den Boden, so duckte sie sich zusammen, und diese
natürliche Scham diente der Schelmin sehr gut, den
Mönch zu überzeugen, daß er es hier mit einer kind¬
lichen Unschuld zu thun habe, die nur vom Teufel
besessen mit beiden Füßen in den Abgrund springen
wolle. Er strich sich vor Vergnügen den Bart, ein¬
mal so zu rechter Zeit auf dem Platz erschienen zu
sein, und um sein Behagen noch länger zu genießen
sagte er langsam und humoristisch:

"Und dann nachher, mein Täubchen?"

"Nachher will ich in die Hölle fahren als eine
allerärmste Seele, wo die schöne Frau Venus ist, oder

dieſe Lampe und dieſer Roſenſtock ſind die letzten
Ueberbleibſel von meinem Erbe, und damit habe ich
mich hier niedergelaſſen, um das Leben zu beginnen,
das Jene verlaſſen hat, welche vor mir hier wohnte!“

„Ei, ſo ſoll dich doch — !“ rief der Mönch und
ſchlug die Hände zuſammen, „ſeht mir einmal an,
wie fleißig der Teufel iſt! Und dies harmloſe Thier¬
lein hier ſagt das Ding ſo trocken daher, wie wenn
ich nicht der Vitalis wäre! Nun, mein Kätzchen,
was willſt du thun? Sag's doch noch einmal!“

„Ich will mich der Liebe weihen und den Män¬
nern dienen, ſo lange dieſe Roſe lebt!“ ſagte ſie und
zeigte flüchtig auf den Strauch; doch brachte ſie die
Worte kaum heraus und verſank vor Scheu beinahe
in den Boden, ſo duckte ſie ſich zuſammen, und dieſe
natürliche Scham diente der Schelmin ſehr gut, den
Mönch zu überzeugen, daß er es hier mit einer kind¬
lichen Unſchuld zu thun habe, die nur vom Teufel
beſeſſen mit beiden Füßen in den Abgrund ſpringen
wolle. Er ſtrich ſich vor Vergnügen den Bart, ein¬
mal ſo zu rechter Zeit auf dem Platz erſchienen zu
ſein, und um ſein Behagen noch länger zu genießen
ſagte er langſam und humoriſtiſch:

„Und dann nachher, mein Täubchen?“

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[103/0117] dieſe Lampe und dieſer Roſenſtock ſind die letzten Ueberbleibſel von meinem Erbe, und damit habe ich mich hier niedergelaſſen, um das Leben zu beginnen, das Jene verlaſſen hat, welche vor mir hier wohnte!“ „Ei, ſo ſoll dich doch — !“ rief der Mönch und ſchlug die Hände zuſammen, „ſeht mir einmal an, wie fleißig der Teufel iſt! Und dies harmloſe Thier¬ lein hier ſagt das Ding ſo trocken daher, wie wenn ich nicht der Vitalis wäre! Nun, mein Kätzchen, was willſt du thun? Sag's doch noch einmal!“ „Ich will mich der Liebe weihen und den Män¬ nern dienen, ſo lange dieſe Roſe lebt!“ ſagte ſie und zeigte flüchtig auf den Strauch; doch brachte ſie die Worte kaum heraus und verſank vor Scheu beinahe in den Boden, ſo duckte ſie ſich zuſammen, und dieſe natürliche Scham diente der Schelmin ſehr gut, den Mönch zu überzeugen, daß er es hier mit einer kind¬ lichen Unſchuld zu thun habe, die nur vom Teufel beſeſſen mit beiden Füßen in den Abgrund ſpringen wolle. Er ſtrich ſich vor Vergnügen den Bart, ein¬ mal ſo zu rechter Zeit auf dem Platz erſchienen zu ſein, und um ſein Behagen noch länger zu genießen ſagte er langſam und humoriſtiſch: „Und dann nachher, mein Täubchen?“ „Nachher will ich in die Hölle fahren als eine allerärmſte Seele, wo die ſchöne Frau Venus iſt, oder

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/117>, abgerufen am 29.11.2024.