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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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derum irgendwo einen Werthgegenstand entwendet und
ihr gebracht. Sie bereute und bekehrte sich zum dritten
Mal, und auf gleiche Weise zum vierten und fünften
Mal, da sie diese Bekehrungen einträglicher fand, als
alles Andere, und überdies der böse Geist in ihr
ein höllisches Vergnügen empfand, mit wechselnden
Künsten und Erfindungen den armen Mönch zu äffen.

Dieser war jetzt wirklich von innen heraus ein
Märtyrer; denn je ärger er getäuscht wurde, desto
weniger konnte er von seinem Bemühen lassen, und
es dünkte ihn, als ob seine eigene Seligkeit gerade
von der Besserung dieser Einen Person abhange. Er
war jetzt bereits ein Todtschläger, Kirchenräuber und
Dieb; allein lieber hätt' er sich eine Hand abhauen
lassen, ehe er im Geringsten seinen Ruf als Wüstling
aufgegeben hätte, und wenn dies alles ihm endlich in
seinem Herzen schwer und schwerer zu tragen war, so
bestrebte er sich um so eifriger, vor der Welt die
schlimme Außenseite mit frivolen Worten aufrecht
zu halten. Denn diese märtyrliche Spezialität hatte
er einmal erwählt. Doch wurde er bleich und schmal
dabei und fing an, herumzuschleichen, wie ein Schat¬
ten an der Wand, aber immer mit lachendem Munde.

Gegenüber jenem Hause der Prüfung nun wohnte
ein reicher griechischer Kaufmann, der ein einziges
Töchterchen besaß, Jole geheißen, welche thun konnte,

derum irgendwo einen Werthgegenſtand entwendet und
ihr gebracht. Sie bereute und bekehrte ſich zum dritten
Mal, und auf gleiche Weiſe zum vierten und fünften
Mal, da ſie dieſe Bekehrungen einträglicher fand, als
alles Andere, und überdies der böſe Geiſt in ihr
ein hölliſches Vergnügen empfand, mit wechſelnden
Künſten und Erfindungen den armen Mönch zu äffen.

Dieſer war jetzt wirklich von innen heraus ein
Märtyrer; denn je ärger er getäuſcht wurde, deſto
weniger konnte er von ſeinem Bemühen laſſen, und
es dünkte ihn, als ob ſeine eigene Seligkeit gerade
von der Beſſerung dieſer Einen Perſon abhange. Er
war jetzt bereits ein Todtſchläger, Kirchenräuber und
Dieb; allein lieber hätt' er ſich eine Hand abhauen
laſſen, ehe er im Geringſten ſeinen Ruf als Wüſtling
aufgegeben hätte, und wenn dies alles ihm endlich in
ſeinem Herzen ſchwer und ſchwerer zu tragen war, ſo
beſtrebte er ſich um ſo eifriger, vor der Welt die
ſchlimme Außenſeite mit frivolen Worten aufrecht
zu halten. Denn dieſe märtyrliche Spezialität hatte
er einmal erwählt. Doch wurde er bleich und ſchmal
dabei und fing an, herumzuſchleichen, wie ein Schat¬
ten an der Wand, aber immer mit lachendem Munde.

Gegenüber jenem Hauſe der Prüfung nun wohnte
ein reicher griechiſcher Kaufmann, der ein einziges
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[98/0112] derum irgendwo einen Werthgegenſtand entwendet und ihr gebracht. Sie bereute und bekehrte ſich zum dritten Mal, und auf gleiche Weiſe zum vierten und fünften Mal, da ſie dieſe Bekehrungen einträglicher fand, als alles Andere, und überdies der böſe Geiſt in ihr ein hölliſches Vergnügen empfand, mit wechſelnden Künſten und Erfindungen den armen Mönch zu äffen. Dieſer war jetzt wirklich von innen heraus ein Märtyrer; denn je ärger er getäuſcht wurde, deſto weniger konnte er von ſeinem Bemühen laſſen, und es dünkte ihn, als ob ſeine eigene Seligkeit gerade von der Beſſerung dieſer Einen Perſon abhange. Er war jetzt bereits ein Todtſchläger, Kirchenräuber und Dieb; allein lieber hätt' er ſich eine Hand abhauen laſſen, ehe er im Geringſten ſeinen Ruf als Wüſtling aufgegeben hätte, und wenn dies alles ihm endlich in ſeinem Herzen ſchwer und ſchwerer zu tragen war, ſo beſtrebte er ſich um ſo eifriger, vor der Welt die ſchlimme Außenſeite mit frivolen Worten aufrecht zu halten. Denn dieſe märtyrliche Spezialität hatte er einmal erwählt. Doch wurde er bleich und ſchmal dabei und fing an, herumzuſchleichen, wie ein Schat¬ ten an der Wand, aber immer mit lachendem Munde. Gegenüber jenem Hauſe der Prüfung nun wohnte ein reicher griechiſcher Kaufmann, der ein einziges Töchterchen beſaß, Jole geheißen, welche thun konnte,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/112>, abgerufen am 30.11.2024.