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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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sie aber plötzlich in verlockende Geberden überging
und mit der Hand in seinen glänzenden dunkeln Bart
fahren wollte, da brach das Gewitter seines geistlichen
Gemüthes mächtig los, zornig schlug er ihr auf die
Hand, warf sie dann auf ihr Bett, daß es erzitterte,
und indem er auf sie hinkniete und ihre Hände fest¬
hielt, fing er, ungerührt von ihren Reizen, dergestalt
an ihr in die Seele zu reden, daß ihre Verstocktheit
endlich sich zu lösen schien.

Sie ließ nach in den gewaltsamen Anstrengungen,
sich zu befreien, häufige Thränen floßen über das
schöne und kräftige Gesicht, und als der eifrige Gottes¬
mann sie nun frei gab und aufrecht an ihrem Sün¬
denlager stand, lag die große Gestalt auf demselben
mit ausgestreckten müden Gliedern, wie von Reue
und Bitterkeit zerschlagen, schluchzend und die umflor¬
ten Augen nach ihm richtend, wie verwundert über
diese unfreiwillige Verwandlung.

Da verwandelte sich auch das Ungewitter seines
beredten Zornes in weiche Rührung und inniges Mit¬
leid; er pries innerlich seine himmlische Beschützerin,
welcher zu Ehren ihm dieser schwerste aller Siege ge¬
lungen war, und seine Rede floß jetzt versöhnend und
tröstend wie lindes Frühlingswehen über das gebro¬
chene Eis dieses Herzens.

Fröhlicher, als wenn er das lieblichste Glück genos¬

ſie aber plötzlich in verlockende Geberden überging
und mit der Hand in ſeinen glänzenden dunkeln Bart
fahren wollte, da brach das Gewitter ſeines geiſtlichen
Gemüthes mächtig los, zornig ſchlug er ihr auf die
Hand, warf ſie dann auf ihr Bett, daß es erzitterte,
und indem er auf ſie hinkniete und ihre Hände feſt¬
hielt, fing er, ungerührt von ihren Reizen, dergeſtalt
an ihr in die Seele zu reden, daß ihre Verſtocktheit
endlich ſich zu löſen ſchien.

Sie ließ nach in den gewaltſamen Anſtrengungen,
ſich zu befreien, häufige Thränen floßen über das
ſchöne und kräftige Geſicht, und als der eifrige Gottes¬
mann ſie nun frei gab und aufrecht an ihrem Sün¬
denlager ſtand, lag die große Geſtalt auf demſelben
mit ausgeſtreckten müden Gliedern, wie von Reue
und Bitterkeit zerſchlagen, ſchluchzend und die umflor¬
ten Augen nach ihm richtend, wie verwundert über
dieſe unfreiwillige Verwandlung.

Da verwandelte ſich auch das Ungewitter ſeines
beredten Zornes in weiche Rührung und inniges Mit¬
leid; er pries innerlich ſeine himmliſche Beſchützerin,
welcher zu Ehren ihm dieſer ſchwerſte aller Siege ge¬
lungen war, und ſeine Rede floß jetzt verſöhnend und
tröſtend wie lindes Frühlingswehen über das gebro¬
chene Eis dieſes Herzens.

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[95/0109] ſie aber plötzlich in verlockende Geberden überging und mit der Hand in ſeinen glänzenden dunkeln Bart fahren wollte, da brach das Gewitter ſeines geiſtlichen Gemüthes mächtig los, zornig ſchlug er ihr auf die Hand, warf ſie dann auf ihr Bett, daß es erzitterte, und indem er auf ſie hinkniete und ihre Hände feſt¬ hielt, fing er, ungerührt von ihren Reizen, dergeſtalt an ihr in die Seele zu reden, daß ihre Verſtocktheit endlich ſich zu löſen ſchien. Sie ließ nach in den gewaltſamen Anſtrengungen, ſich zu befreien, häufige Thränen floßen über das ſchöne und kräftige Geſicht, und als der eifrige Gottes¬ mann ſie nun frei gab und aufrecht an ihrem Sün¬ denlager ſtand, lag die große Geſtalt auf demſelben mit ausgeſtreckten müden Gliedern, wie von Reue und Bitterkeit zerſchlagen, ſchluchzend und die umflor¬ ten Augen nach ihm richtend, wie verwundert über dieſe unfreiwillige Verwandlung. Da verwandelte ſich auch das Ungewitter ſeines beredten Zornes in weiche Rührung und inniges Mit¬ leid; er pries innerlich ſeine himmliſche Beſchützerin, welcher zu Ehren ihm dieſer ſchwerſte aller Siege ge¬ lungen war, und ſeine Rede floß jetzt verſöhnend und tröſtend wie lindes Frühlingswehen über das gebro¬ chene Eis dieſes Herzens. Fröhlicher, als wenn er das lieblichſte Glück genoſ¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/109>, abgerufen am 25.04.2024.