Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

zwischen den reifen Früchten überall hervorlächel¬
ten, deren Schicksal, dessen Beginn und Morgen¬
roth hier für immer festgehalten schien, nun auch
seit Jahrhunderten erfüllt und in die Erde gelegt
war, oder gar nicht zur Erfüllung gekommen, da
ein Kreuz oder ein denatus ansagte, daß sie
als Blüthen schon vom Baume geweht worden.
Manches gemalte Schwert und Panzerstück war
im gleichen Saale auch in Wirklichkeit vorhanden,
und der Graf hielt ihm die schweren Stücke mit
leichter und kundiger Hand vor, indessen Heinrich
sie auch nicht wie ein Mädchen ihm abnahm, da
ihm die Waffenfähigkeit und Liebhaberei seines
Geburtslandes in den Fingern steckte. Dorothea
hingegen bewegte sich rasch und gefällig herum,
stieg auf Schemel und Tritte, um einen alten
silbernen Becher oder ein Kästchen herabzuholen,
und wies und erklärte die Sachen mit freundlicher,
aber fast mitleidiger Höflichkeit, was indessen
Heinrich, der vollauf mit dem Beschauen der Ge¬
genstände beschäftigt war, nicht bemerkte, sondern
nur als einen angenehmen Eindruck zu dem übri¬
gen empfand, ohne darauf zu achten. Erst als

zwiſchen den reifen Fruͤchten uͤberall hervorlaͤchel¬
ten, deren Schickſal, deſſen Beginn und Morgen¬
roth hier fuͤr immer feſtgehalten ſchien, nun auch
ſeit Jahrhunderten erfuͤllt und in die Erde gelegt
war, oder gar nicht zur Erfuͤllung gekommen, da
ein Kreuz oder ein denatus anſagte, daß ſie
als Bluͤthen ſchon vom Baume geweht worden.
Manches gemalte Schwert und Panzerſtuͤck war
im gleichen Saale auch in Wirklichkeit vorhanden,
und der Graf hielt ihm die ſchweren Stuͤcke mit
leichter und kundiger Hand vor, indeſſen Heinrich
ſie auch nicht wie ein Maͤdchen ihm abnahm, da
ihm die Waffenfaͤhigkeit und Liebhaberei ſeines
Geburtslandes in den Fingern ſteckte. Dorothea
hingegen bewegte ſich raſch und gefaͤllig herum,
ſtieg auf Schemel und Tritte, um einen alten
ſilbernen Becher oder ein Kaͤſtchen herabzuholen,
und wies und erklaͤrte die Sachen mit freundlicher,
aber faſt mitleidiger Hoͤflichkeit, was indeſſen
Heinrich, der vollauf mit dem Beſchauen der Ge¬
genſtaͤnde beſchaͤftigt war, nicht bemerkte, ſondern
nur als einen angenehmen Eindruck zu dem uͤbri¬
gen empfand, ohne darauf zu achten. Erſt als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0353" n="343"/>
zwi&#x017F;chen den reifen Fru&#x0364;chten u&#x0364;berall hervorla&#x0364;chel¬<lb/>
ten, deren Schick&#x017F;al, de&#x017F;&#x017F;en Beginn und Morgen¬<lb/>
roth hier fu&#x0364;r immer fe&#x017F;tgehalten &#x017F;chien, nun auch<lb/>
&#x017F;eit Jahrhunderten erfu&#x0364;llt und in die Erde gelegt<lb/>
war, oder gar nicht zur Erfu&#x0364;llung gekommen, da<lb/>
ein Kreuz oder ein <hi rendition="#aq">denatus</hi> an&#x017F;agte, daß &#x017F;ie<lb/>
als Blu&#x0364;then &#x017F;chon vom Baume geweht worden.<lb/>
Manches gemalte Schwert und Panzer&#x017F;tu&#x0364;ck war<lb/>
im gleichen Saale auch in Wirklichkeit vorhanden,<lb/>
und der Graf hielt ihm die &#x017F;chweren Stu&#x0364;cke mit<lb/>
leichter und kundiger Hand vor, inde&#x017F;&#x017F;en Heinrich<lb/>
&#x017F;ie auch nicht wie ein Ma&#x0364;dchen ihm abnahm, da<lb/>
ihm die Waffenfa&#x0364;higkeit und Liebhaberei &#x017F;eines<lb/>
Geburtslandes in den Fingern &#x017F;teckte. Dorothea<lb/>
hingegen bewegte &#x017F;ich ra&#x017F;ch und gefa&#x0364;llig herum,<lb/>
&#x017F;tieg auf Schemel und Tritte, um einen alten<lb/>
&#x017F;ilbernen Becher oder ein Ka&#x0364;&#x017F;tchen herabzuholen,<lb/>
und wies und erkla&#x0364;rte die Sachen mit freundlicher,<lb/>
aber fa&#x017F;t mitleidiger Ho&#x0364;flichkeit, was inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Heinrich, der vollauf mit dem Be&#x017F;chauen der Ge¬<lb/>
gen&#x017F;ta&#x0364;nde be&#x017F;cha&#x0364;ftigt war, nicht bemerkte, &#x017F;ondern<lb/>
nur als einen angenehmen Eindruck zu dem u&#x0364;bri¬<lb/>
gen empfand, ohne darauf zu achten. Er&#x017F;t als<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0353] zwiſchen den reifen Fruͤchten uͤberall hervorlaͤchel¬ ten, deren Schickſal, deſſen Beginn und Morgen¬ roth hier fuͤr immer feſtgehalten ſchien, nun auch ſeit Jahrhunderten erfuͤllt und in die Erde gelegt war, oder gar nicht zur Erfuͤllung gekommen, da ein Kreuz oder ein denatus anſagte, daß ſie als Bluͤthen ſchon vom Baume geweht worden. Manches gemalte Schwert und Panzerſtuͤck war im gleichen Saale auch in Wirklichkeit vorhanden, und der Graf hielt ihm die ſchweren Stuͤcke mit leichter und kundiger Hand vor, indeſſen Heinrich ſie auch nicht wie ein Maͤdchen ihm abnahm, da ihm die Waffenfaͤhigkeit und Liebhaberei ſeines Geburtslandes in den Fingern ſteckte. Dorothea hingegen bewegte ſich raſch und gefaͤllig herum, ſtieg auf Schemel und Tritte, um einen alten ſilbernen Becher oder ein Kaͤſtchen herabzuholen, und wies und erklaͤrte die Sachen mit freundlicher, aber faſt mitleidiger Hoͤflichkeit, was indeſſen Heinrich, der vollauf mit dem Beſchauen der Ge¬ genſtaͤnde beſchaͤftigt war, nicht bemerkte, ſondern nur als einen angenehmen Eindruck zu dem uͤbri¬ gen empfand, ohne darauf zu achten. Erſt als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/353
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/353>, abgerufen am 22.11.2024.