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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Birkenbäumchen also geknickt mitten auf dem
Wege gefunden habe; aber er rief: Lügen thust
du auch noch? wart' ich werd' dir's austreiben!
Und der alte Mann nahm die alte Graue beim
vertrockneten Ohr, welches unter der verschobenen
geblümten Katunhaube hervor guckte, und zerrte
sie mehrmals an selbem hin und her, wie man
etwa einen bösen jungen Buben schüttelt, daß es
höchst seltsam und unnatürlich anzusehen war.
Heinrich sprang mit einem Satze hinzu und schlug
dem bösen Holzvogt sein hartes Wachstuchpäcklein
einige Mal so heftig um die Ohren und auf das
Gesicht, daß der Unhold taumelte und ihm das
übermüthige Blut aus Mund und Nase rann.
Das Frauchen machte sich, so schnell es konnte,
aus dem Staube, oder vielmehr aus dem Regen,
der Feldwärtel aber wollte seinen Säbel ziehen,
und indem dieser nicht hervorkommen wollte, ver¬
harrte der Wüthende krampfhaft in der ziehenden
Stellung, die eine Hand am Griff, die andere
an der Scheide, schnaubend und fluchend, und gab
in dieser gebannten Lage ein so herausforderndes
Bild der höchsten Wuth, daß Heinrich noch ein¬

Birkenbaͤumchen alſo geknickt mitten auf dem
Wege gefunden habe; aber er rief: Luͤgen thuſt
du auch noch? wart' ich werd' dir's austreiben!
Und der alte Mann nahm die alte Graue beim
vertrockneten Ohr, welches unter der verſchobenen
gebluͤmten Katunhaube hervor guckte, und zerrte
ſie mehrmals an ſelbem hin und her, wie man
etwa einen boͤſen jungen Buben ſchuͤttelt, daß es
hoͤchſt ſeltſam und unnatuͤrlich anzuſehen war.
Heinrich ſprang mit einem Satze hinzu und ſchlug
dem boͤſen Holzvogt ſein hartes Wachstuchpaͤcklein
einige Mal ſo heftig um die Ohren und auf das
Geſicht, daß der Unhold taumelte und ihm das
uͤbermuͤthige Blut aus Mund und Naſe rann.
Das Frauchen machte ſich, ſo ſchnell es konnte,
aus dem Staube, oder vielmehr aus dem Regen,
der Feldwaͤrtel aber wollte ſeinen Saͤbel ziehen,
und indem dieſer nicht hervorkommen wollte, ver¬
harrte der Wuͤthende krampfhaft in der ziehenden
Stellung, die eine Hand am Griff, die andere
an der Scheide, ſchnaubend und fluchend, und gab
in dieſer gebannten Lage ein ſo herausforderndes
Bild der hoͤchſten Wuth, daß Heinrich noch ein¬

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[280/0290] Birkenbaͤumchen alſo geknickt mitten auf dem Wege gefunden habe; aber er rief: Luͤgen thuſt du auch noch? wart' ich werd' dir's austreiben! Und der alte Mann nahm die alte Graue beim vertrockneten Ohr, welches unter der verſchobenen gebluͤmten Katunhaube hervor guckte, und zerrte ſie mehrmals an ſelbem hin und her, wie man etwa einen boͤſen jungen Buben ſchuͤttelt, daß es hoͤchſt ſeltſam und unnatuͤrlich anzuſehen war. Heinrich ſprang mit einem Satze hinzu und ſchlug dem boͤſen Holzvogt ſein hartes Wachstuchpaͤcklein einige Mal ſo heftig um die Ohren und auf das Geſicht, daß der Unhold taumelte und ihm das uͤbermuͤthige Blut aus Mund und Naſe rann. Das Frauchen machte ſich, ſo ſchnell es konnte, aus dem Staube, oder vielmehr aus dem Regen, der Feldwaͤrtel aber wollte ſeinen Saͤbel ziehen, und indem dieſer nicht hervorkommen wollte, ver¬ harrte der Wuͤthende krampfhaft in der ziehenden Stellung, die eine Hand am Griff, die andere an der Scheide, ſchnaubend und fluchend, und gab in dieſer gebannten Lage ein ſo herausforderndes Bild der hoͤchſten Wuth, daß Heinrich noch ein¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/290>, abgerufen am 30.04.2024.