Stillen über mein Vertrauen zur Jungfrau lä¬ chelte. Ich war darüber bekümmert und gedachte in meiner Kindheit, ihn noch gut katholisch zu machen. Jetzt, wo seine Entfernung und sein selbstsüchtiger Verrath mir seine Grundsätze dop¬ pelt verdächtig und verhaßt machen sollten, fühle ich mich seltsamer Weise zu denselben hingezogen, ja ich wünsche zuweilen, wie wenn ich nach sei¬ nem Beifall lüstern wäre, daß er es wissen möchte!
"Zürne nicht hierüber, liebster frommer Got¬ tesmacher! Ich will Dir kein Aergerniß geben, sondern Dein gehorsames und treues Haus- und Bergfräulein sein! Ich will fromm Deiner Trau¬ ben pflegen und Dir jeden Becher credenzen, den Du trinkest!"
Die Zuhörer waren höchlich verwundert über diese Reden; die Mutter bekreuzte sich dreimal, indem sie sowohl über Agnesens Beredtsamkeit, als über den Inhalt ihrer Worte sich entsetzte, und sie wollte ein lautes Lamentiren beginnen. Aber sie wurde wieder unterbrochen durch den Gottesmacher, welcher, nachdem er sich von sei¬ nem Erstaunen erholt, erwiederte:
Stillen uͤber mein Vertrauen zur Jungfrau laͤ¬ chelte. Ich war daruͤber bekuͤmmert und gedachte in meiner Kindheit, ihn noch gut katholiſch zu machen. Jetzt, wo ſeine Entfernung und ſein ſelbſtſuͤchtiger Verrath mir ſeine Grundſaͤtze dop¬ pelt verdaͤchtig und verhaßt machen ſollten, fuͤhle ich mich ſeltſamer Weiſe zu denſelben hingezogen, ja ich wuͤnſche zuweilen, wie wenn ich nach ſei¬ nem Beifall luͤſtern waͤre, daß er es wiſſen moͤchte!
»Zuͤrne nicht hieruͤber, liebſter frommer Got¬ tesmacher! Ich will Dir kein Aergerniß geben, ſondern Dein gehorſames und treues Haus- und Bergfraͤulein ſein! Ich will fromm Deiner Trau¬ ben pflegen und Dir jeden Becher credenzen, den Du trinkeſt!«
Die Zuhoͤrer waren hoͤchlich verwundert uͤber dieſe Reden; die Mutter bekreuzte ſich dreimal, indem ſie ſowohl uͤber Agneſens Beredtſamkeit, als uͤber den Inhalt ihrer Worte ſich entſetzte, und ſie wollte ein lautes Lamentiren beginnen. Aber ſie wurde wieder unterbrochen durch den Gottesmacher, welcher, nachdem er ſich von ſei¬ nem Erſtaunen erholt, erwiederte:
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0024"n="14"/>
Stillen uͤber mein Vertrauen zur Jungfrau laͤ¬<lb/>
chelte. Ich war daruͤber bekuͤmmert und gedachte<lb/>
in meiner Kindheit, ihn noch gut katholiſch zu<lb/>
machen. Jetzt, wo ſeine Entfernung und ſein<lb/>ſelbſtſuͤchtiger Verrath mir ſeine Grundſaͤtze dop¬<lb/>
pelt verdaͤchtig und verhaßt machen ſollten, fuͤhle<lb/>
ich mich ſeltſamer Weiſe zu denſelben hingezogen,<lb/>
ja ich wuͤnſche zuweilen, wie wenn ich nach ſei¬<lb/>
nem Beifall luͤſtern waͤre, daß er es wiſſen moͤchte!</p><lb/><p>»Zuͤrne nicht hieruͤber, liebſter frommer Got¬<lb/>
tesmacher! Ich will Dir kein Aergerniß geben,<lb/>ſondern Dein gehorſames und treues Haus- und<lb/>
Bergfraͤulein ſein! Ich will fromm Deiner Trau¬<lb/>
ben pflegen und Dir jeden Becher credenzen, den<lb/>
Du trinkeſt!«</p><lb/><p>Die Zuhoͤrer waren hoͤchlich verwundert uͤber<lb/>
dieſe Reden; die Mutter bekreuzte ſich dreimal,<lb/>
indem ſie ſowohl uͤber Agneſens Beredtſamkeit,<lb/>
als uͤber den Inhalt ihrer Worte ſich entſetzte,<lb/>
und ſie wollte ein lautes Lamentiren beginnen.<lb/>
Aber ſie wurde wieder unterbrochen durch den<lb/>
Gottesmacher, welcher, nachdem er ſich von ſei¬<lb/>
nem Erſtaunen erholt, erwiederte:<lb/></p></div></body></text></TEI>
[14/0024]
Stillen uͤber mein Vertrauen zur Jungfrau laͤ¬
chelte. Ich war daruͤber bekuͤmmert und gedachte
in meiner Kindheit, ihn noch gut katholiſch zu
machen. Jetzt, wo ſeine Entfernung und ſein
ſelbſtſuͤchtiger Verrath mir ſeine Grundſaͤtze dop¬
pelt verdaͤchtig und verhaßt machen ſollten, fuͤhle
ich mich ſeltſamer Weiſe zu denſelben hingezogen,
ja ich wuͤnſche zuweilen, wie wenn ich nach ſei¬
nem Beifall luͤſtern waͤre, daß er es wiſſen moͤchte!
»Zuͤrne nicht hieruͤber, liebſter frommer Got¬
tesmacher! Ich will Dir kein Aergerniß geben,
ſondern Dein gehorſames und treues Haus- und
Bergfraͤulein ſein! Ich will fromm Deiner Trau¬
ben pflegen und Dir jeden Becher credenzen, den
Du trinkeſt!«
Die Zuhoͤrer waren hoͤchlich verwundert uͤber
dieſe Reden; die Mutter bekreuzte ſich dreimal,
indem ſie ſowohl uͤber Agneſens Beredtſamkeit,
als uͤber den Inhalt ihrer Worte ſich entſetzte,
und ſie wollte ein lautes Lamentiren beginnen.
Aber ſie wurde wieder unterbrochen durch den
Gottesmacher, welcher, nachdem er ſich von ſei¬
nem Erſtaunen erholt, erwiederte:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/24>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.