Mitte, welchen sie für den Würdigsten und Be¬ dürftigsten hält!"
Und mit verbindlichem Lächeln sich zu Ferdi¬ nand wendend und ihn zum Tische ziehend, sagte sie: "Herr Lys, sie sind ein reicher Mann! Geben Sie ein gutes Beispiel und fangen Sie an!"
Ferdinand hatte von der bedeutenden Summe, welche er in seiner Narrheit bei den Juwelieren ausgegeben, noch zehn bis zwölf Louisd'ors übrig, die er in ein Papier gewickelt in den Busen ge¬ steckt hatte, da in der Eile an seinem ganzen Co¬ stüm nicht eine Tasche angebracht worden. Ver¬ legen zog er das Geld hervor, wie ein Mädchen einen Liebesbrief, und verlor es schnell an die schöne Bankhalterin.
Sie warf es in eine leere Fruchtschale und dankte ihm, indem sie zugleich bedauerte, daß er nicht mehr zu verlieren habe. Ihm schien aber das Verlorene schon zu viel zu sein und um wie¬ der etwas davon zu gewinnen, warf er, scheinbar um noch mehr beizutragen, den kleinsten seiner Ringe hin.
Allein er verlor auch diesen, Rosalie hatte
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Mitte, welchen ſie fuͤr den Wuͤrdigſten und Be¬ duͤrftigſten haͤlt!«
Und mit verbindlichem Laͤcheln ſich zu Ferdi¬ nand wendend und ihn zum Tiſche ziehend, ſagte ſie: »Herr Lys, ſie ſind ein reicher Mann! Geben Sie ein gutes Beiſpiel und fangen Sie an!«
Ferdinand hatte von der bedeutenden Summe, welche er in ſeiner Narrheit bei den Juwelieren ausgegeben, noch zehn bis zwoͤlf Louisd'ors uͤbrig, die er in ein Papier gewickelt in den Buſen ge¬ ſteckt hatte, da in der Eile an ſeinem ganzen Co¬ ſtuͤm nicht eine Taſche angebracht worden. Ver¬ legen zog er das Geld hervor, wie ein Maͤdchen einen Liebesbrief, und verlor es ſchnell an die ſchoͤne Bankhalterin.
Sie warf es in eine leere Fruchtſchale und dankte ihm, indem ſie zugleich bedauerte, daß er nicht mehr zu verlieren habe. Ihm ſchien aber das Verlorene ſchon zu viel zu ſein und um wie¬ der etwas davon zu gewinnen, warf er, ſcheinbar um noch mehr beizutragen, den kleinſten ſeiner Ringe hin.
Allein er verlor auch dieſen, Roſalie hatte
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Mitte, welchen ſie fuͤr den Wuͤrdigſten und Be¬
duͤrftigſten haͤlt!«
Und mit verbindlichem Laͤcheln ſich zu Ferdi¬
nand wendend und ihn zum Tiſche ziehend, ſagte
ſie: »Herr Lys, ſie ſind ein reicher Mann! Geben
Sie ein gutes Beiſpiel und fangen Sie an!«
Ferdinand hatte von der bedeutenden Summe,
welche er in ſeiner Narrheit bei den Juwelieren
ausgegeben, noch zehn bis zwoͤlf Louisd'ors uͤbrig,
die er in ein Papier gewickelt in den Buſen ge¬
ſteckt hatte, da in der Eile an ſeinem ganzen Co¬
ſtuͤm nicht eine Taſche angebracht worden. Ver¬
legen zog er das Geld hervor, wie ein Maͤdchen
einen Liebesbrief, und verlor es ſchnell an die
ſchoͤne Bankhalterin.
Sie warf es in eine leere Fruchtſchale und
dankte ihm, indem ſie zugleich bedauerte, daß er
nicht mehr zu verlieren habe. Ihm ſchien aber
das Verlorene ſchon zu viel zu ſein und um wie¬
der etwas davon zu gewinnen, warf er, ſcheinbar
um noch mehr beizutragen, den kleinſten ſeiner
Ringe hin.
Allein er verlor auch dieſen, Roſalie hatte
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/333>, abgerufen am 22.11.2024.
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