Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

wöhnt waren, richteten sich nichts desto minder
mit großer Unbefangenheit an ihren Trinktischen
ein, und Rosalie schien geehrt und erfreut zu sein
durch das treuherzige Schenkeleben, welches sie
mit Maß und Sitte zur Schau stellten.

Dadurch gewann sie sich die Herzen aller An¬
wesenden, so daß sich alle mehr oder weniger in
sie verliebten. Sie war so zu sagen die Frau
von Gottes Gnaden, deren Anmuth Wohlwollen
und Trost ausstrahlte und allgemeines Wohlwol¬
len erntete, und indem in ihrer Umgebung jeder
Einzelne bei ihrem Anblick des Glaubens wurde,
daß sie ihm besonders freundlich sei, so begnügte
er sich mit diesem Gefühle, und sie sah sich von
der Bescheidenheit und Sitte Aller umgeben.

Nur Ferdinand verhärtete sich immer mehr
in seiner Leidenschaft. Er hatte sein Benehmen
gegen Agnes nur geändert, um ihren Werth und
ihre Schönheit erst recht an das Licht zu stellen,
zu zeigen, welch' ein seltenes Wesen er so gut
wie in der Hand hätte, wie dieses ihn aber ganz
unberührt lasse, ja, wie er sie ganz und gar nur
als ein liebliches Kind betrachte, welches neben

woͤhnt waren, richteten ſich nichts deſto minder
mit großer Unbefangenheit an ihren Trinktiſchen
ein, und Roſalie ſchien geehrt und erfreut zu ſein
durch das treuherzige Schenkeleben, welches ſie
mit Maß und Sitte zur Schau ſtellten.

Dadurch gewann ſie ſich die Herzen aller An¬
weſenden, ſo daß ſich alle mehr oder weniger in
ſie verliebten. Sie war ſo zu ſagen die Frau
von Gottes Gnaden, deren Anmuth Wohlwollen
und Troſt ausſtrahlte und allgemeines Wohlwol¬
len erntete, und indem in ihrer Umgebung jeder
Einzelne bei ihrem Anblick des Glaubens wurde,
daß ſie ihm beſonders freundlich ſei, ſo begnuͤgte
er ſich mit dieſem Gefuͤhle, und ſie ſah ſich von
der Beſcheidenheit und Sitte Aller umgeben.

Nur Ferdinand verhaͤrtete ſich immer mehr
in ſeiner Leidenſchaft. Er hatte ſein Benehmen
gegen Agnes nur geaͤndert, um ihren Werth und
ihre Schoͤnheit erſt recht an das Licht zu ſtellen,
zu zeigen, welch' ein ſeltenes Weſen er ſo gut
wie in der Hand haͤtte, wie dieſes ihn aber ganz
unberuͤhrt laſſe, ja, wie er ſie ganz und gar nur
als ein liebliches Kind betrachte, welches neben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0329" n="319"/>
wo&#x0364;hnt waren, richteten &#x017F;ich nichts de&#x017F;to minder<lb/>
mit großer Unbefangenheit an ihren Trinkti&#x017F;chen<lb/>
ein, und Ro&#x017F;alie &#x017F;chien geehrt und erfreut zu &#x017F;ein<lb/>
durch das treuherzige Schenkeleben, welches &#x017F;ie<lb/>
mit Maß und Sitte zur Schau &#x017F;tellten.</p><lb/>
        <p>Dadurch gewann &#x017F;ie &#x017F;ich die Herzen aller An¬<lb/>
we&#x017F;enden, &#x017F;o daß &#x017F;ich alle mehr oder weniger in<lb/>
&#x017F;ie verliebten. Sie war &#x017F;o zu &#x017F;agen die Frau<lb/>
von Gottes Gnaden, deren Anmuth Wohlwollen<lb/>
und Tro&#x017F;t aus&#x017F;trahlte und allgemeines Wohlwol¬<lb/>
len erntete, und indem in ihrer Umgebung jeder<lb/>
Einzelne bei ihrem Anblick des Glaubens wurde,<lb/>
daß &#x017F;ie ihm be&#x017F;onders freundlich &#x017F;ei, &#x017F;o begnu&#x0364;gte<lb/>
er &#x017F;ich mit die&#x017F;em Gefu&#x0364;hle, und &#x017F;ie &#x017F;ah &#x017F;ich von<lb/>
der Be&#x017F;cheidenheit und Sitte Aller umgeben.</p><lb/>
        <p>Nur Ferdinand verha&#x0364;rtete &#x017F;ich immer mehr<lb/>
in &#x017F;einer Leiden&#x017F;chaft. Er hatte &#x017F;ein Benehmen<lb/>
gegen Agnes nur gea&#x0364;ndert, um ihren Werth und<lb/>
ihre Scho&#x0364;nheit er&#x017F;t recht an das Licht zu &#x017F;tellen,<lb/>
zu zeigen, welch' ein &#x017F;eltenes We&#x017F;en er &#x017F;o gut<lb/>
wie in der Hand ha&#x0364;tte, wie die&#x017F;es ihn aber ganz<lb/>
unberu&#x0364;hrt la&#x017F;&#x017F;e, ja, wie er &#x017F;ie ganz und gar nur<lb/>
als ein liebliches Kind betrachte, welches neben<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0329] woͤhnt waren, richteten ſich nichts deſto minder mit großer Unbefangenheit an ihren Trinktiſchen ein, und Roſalie ſchien geehrt und erfreut zu ſein durch das treuherzige Schenkeleben, welches ſie mit Maß und Sitte zur Schau ſtellten. Dadurch gewann ſie ſich die Herzen aller An¬ weſenden, ſo daß ſich alle mehr oder weniger in ſie verliebten. Sie war ſo zu ſagen die Frau von Gottes Gnaden, deren Anmuth Wohlwollen und Troſt ausſtrahlte und allgemeines Wohlwol¬ len erntete, und indem in ihrer Umgebung jeder Einzelne bei ihrem Anblick des Glaubens wurde, daß ſie ihm beſonders freundlich ſei, ſo begnuͤgte er ſich mit dieſem Gefuͤhle, und ſie ſah ſich von der Beſcheidenheit und Sitte Aller umgeben. Nur Ferdinand verhaͤrtete ſich immer mehr in ſeiner Leidenſchaft. Er hatte ſein Benehmen gegen Agnes nur geaͤndert, um ihren Werth und ihre Schoͤnheit erſt recht an das Licht zu ſtellen, zu zeigen, welch' ein ſeltenes Weſen er ſo gut wie in der Hand haͤtte, wie dieſes ihn aber ganz unberuͤhrt laſſe, ja, wie er ſie ganz und gar nur als ein liebliches Kind betrachte, welches neben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/329
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/329>, abgerufen am 22.11.2024.