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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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doch nur zufällig zu diesem Berufe gekommen
und durch keinerlei innere Kraft vorher bestimmt.
Was könnte mir nun willkommener sein, als ein
junger Mensch, der mit solcher Energie sich für
Papier und Farben erklärt, in so frühem Alter,
der den ganzen Tag, ohne weitere Anregung,
Bäume und Blumengärtchen malt? Wir wol¬
len ihm schon Blumen genug verschaffen, in ge¬
ordneten Reihen soll er sie auf die Tücher zau¬
bern, unerschöpflich, immer neu; er soll aus der
reichen Natur die wunderbarsten und zierlichsten
Gebilde abstrahiren, welche meine Konkurrenten
zur Verzweiflung bringen! (Und der treffliche
Mann erging sich hier, meine Mutter beinahe
vergessend, in den kühnsten Spekulationen.) Kurz,
gebt mir Euren Sohn in's Haus! Ich werde
ihn bald so weit gebracht haben, wie die Anderen,
und wenn er einige Jahre älter ist, so thun wir
ihn nach Paris, wo die Sache in's Große betrie¬
ben wird und die ausgezeichnetsten Dessinateurs
der verschiedensten Industriezweige leben wie die
Fürsten und von den Geschäftsleuten auf Händen
getragen werden. Hat er dort sich gehörig empor¬

doch nur zufaͤllig zu dieſem Berufe gekommen
und durch keinerlei innere Kraft vorher beſtimmt.
Was koͤnnte mir nun willkommener ſein, als ein
junger Menſch, der mit ſolcher Energie ſich fuͤr
Papier und Farben erklaͤrt, in ſo fruͤhem Alter,
der den ganzen Tag, ohne weitere Anregung,
Baͤume und Blumengaͤrtchen malt? Wir wol¬
len ihm ſchon Blumen genug verſchaffen, in ge¬
ordneten Reihen ſoll er ſie auf die Tuͤcher zau¬
bern, unerſchoͤpflich, immer neu; er ſoll aus der
reichen Natur die wunderbarſten und zierlichſten
Gebilde abſtrahiren, welche meine Konkurrenten
zur Verzweiflung bringen! (Und der treffliche
Mann erging ſich hier, meine Mutter beinahe
vergeſſend, in den kuͤhnſten Spekulationen.) Kurz,
gebt mir Euren Sohn in's Haus! Ich werde
ihn bald ſo weit gebracht haben, wie die Anderen,
und wenn er einige Jahre aͤlter iſt, ſo thun wir
ihn nach Paris, wo die Sache in's Große betrie¬
ben wird und die ausgezeichnetſten Deſſinateurs
der verſchiedenſten Induſtriezweige leben wie die
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[85/0095] doch nur zufaͤllig zu dieſem Berufe gekommen und durch keinerlei innere Kraft vorher beſtimmt. Was koͤnnte mir nun willkommener ſein, als ein junger Menſch, der mit ſolcher Energie ſich fuͤr Papier und Farben erklaͤrt, in ſo fruͤhem Alter, der den ganzen Tag, ohne weitere Anregung, Baͤume und Blumengaͤrtchen malt? Wir wol¬ len ihm ſchon Blumen genug verſchaffen, in ge¬ ordneten Reihen ſoll er ſie auf die Tuͤcher zau¬ bern, unerſchoͤpflich, immer neu; er ſoll aus der reichen Natur die wunderbarſten und zierlichſten Gebilde abſtrahiren, welche meine Konkurrenten zur Verzweiflung bringen! (Und der treffliche Mann erging ſich hier, meine Mutter beinahe vergeſſend, in den kuͤhnſten Spekulationen.) Kurz, gebt mir Euren Sohn in's Haus! Ich werde ihn bald ſo weit gebracht haben, wie die Anderen, und wenn er einige Jahre aͤlter iſt, ſo thun wir ihn nach Paris, wo die Sache in's Große betrie¬ ben wird und die ausgezeichnetſten Deſſinateurs der verſchiedenſten Induſtriezweige leben wie die Fuͤrſten und von den Geſchaͤftsleuten auf Haͤnden getragen werden. Hat er dort ſich gehoͤrig empor¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/95>, abgerufen am 21.11.2024.