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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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fahren und die Waldbäume recht zu studiren,
wozu er mir als Forstmann behülflich sein wolle.
Er besaß noch so viel städtische Erinnerung, daß
ihm dergleichen nicht lächerlich vorkam; auch
mochten leidenschaftliche Jäger von jeher die Ma¬
lerei wohl leiden, insofern sie den Schauplatz
ihrer Freuden und ihre Thaten selbst verherrlicht.
Daher begann er nach dem Abendessen noch so¬
gleich einen Kursus mit mir und sprach von den
Eigenthümlichkeiten der Bäume und von den
Stellen, wo ich die lehrreichsten Exemplare finden
würde. Zuvörderst aber empfahl er mir, die
Studien des Junkers Felix zu kopiren, was ich
an den folgenden Tagen mit großem Eifer that,
indessen wir an den schönen Abenden unsere Re¬
kognoszirungen für die nächste Jagdzeit fortsetzten
und dabei die reizendsten Gründe und Höhen
durchstreiften, umgeben und begleitet von der
reichsten Baumwelt.

So ging die erste Woche meines ländlichen
Aufenthaltes angenehm zu Ende, und um diese
Zeit wußte ich schon die meisten Bäume von
einander zu unterscheiden, und freute mich, die

fahren und die Waldbaͤume recht zu ſtudiren,
wozu er mir als Forſtmann behuͤlflich ſein wolle.
Er beſaß noch ſo viel ſtaͤdtiſche Erinnerung, daß
ihm dergleichen nicht laͤcherlich vorkam; auch
mochten leidenſchaftliche Jaͤger von jeher die Ma¬
lerei wohl leiden, inſofern ſie den Schauplatz
ihrer Freuden und ihre Thaten ſelbſt verherrlicht.
Daher begann er nach dem Abendeſſen noch ſo¬
gleich einen Kurſus mit mir und ſprach von den
Eigenthuͤmlichkeiten der Baͤume und von den
Stellen, wo ich die lehrreichſten Exemplare finden
wuͤrde. Zuvoͤrderſt aber empfahl er mir, die
Studien des Junkers Felix zu kopiren, was ich
an den folgenden Tagen mit großem Eifer that,
indeſſen wir an den ſchoͤnen Abenden unſere Re¬
kognoszirungen fuͤr die naͤchſte Jagdzeit fortſetzten
und dabei die reizendſten Gruͤnde und Hoͤhen
durchſtreiften, umgeben und begleitet von der
reichſten Baumwelt.

So ging die erſte Woche meines laͤndlichen
Aufenthaltes angenehm zu Ende, und um dieſe
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[50/0060] fahren und die Waldbaͤume recht zu ſtudiren, wozu er mir als Forſtmann behuͤlflich ſein wolle. Er beſaß noch ſo viel ſtaͤdtiſche Erinnerung, daß ihm dergleichen nicht laͤcherlich vorkam; auch mochten leidenſchaftliche Jaͤger von jeher die Ma¬ lerei wohl leiden, inſofern ſie den Schauplatz ihrer Freuden und ihre Thaten ſelbſt verherrlicht. Daher begann er nach dem Abendeſſen noch ſo¬ gleich einen Kurſus mit mir und ſprach von den Eigenthuͤmlichkeiten der Baͤume und von den Stellen, wo ich die lehrreichſten Exemplare finden wuͤrde. Zuvoͤrderſt aber empfahl er mir, die Studien des Junkers Felix zu kopiren, was ich an den folgenden Tagen mit großem Eifer that, indeſſen wir an den ſchoͤnen Abenden unſere Re¬ kognoszirungen fuͤr die naͤchſte Jagdzeit fortſetzten und dabei die reizendſten Gruͤnde und Hoͤhen durchſtreiften, umgeben und begleitet von der reichſten Baumwelt. So ging die erſte Woche meines laͤndlichen Aufenthaltes angenehm zu Ende, und um dieſe Zeit wußte ich ſchon die meiſten Baͤume von einander zu unterſcheiden, und freute mich, die

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/60>, abgerufen am 06.05.2024.