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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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grünen Gesellen mit ihren Namen begrüßen zu
können; nur hinsichtlich der reichen Kräuterwelt
des feuchten oder trockenen Bodens bedauerte ich
erst jetzt wieder lebhaft die Unterbrechung jener
botanischen Anfänge in der Schule, da ich wohl
fühlte, daß für die Kenntniß dieser kleinen, aber
weit mannigfaltigeren Welt einige grobe Umrisse
nicht genügten, und doch hätte ich so gern die
Namen und Eigenschaften aller der blühenden
Dinge gekannt, welche den Boden bedeckten.

Auf den ersten Sonntag meiner Anwesenheit
war schon ein Besuch verabredet worden, welchen
wir jungen Leute hinter dem Walde abstatten
wollten. Dort wohnte auf einem einsamen und
abgelegenen Hofe ein Bruder meiner Muhme mit
einer jungen Tochter, welche mit meinen Basen
eine eifrige Mädchenfreundschaft pflag. Ihr Va¬
ter war früher Dorfschulmeister gewesen, hatte
aber nach dem Tode seiner Frau sich in jenen
beschaulichen Waldhof zurückgezogen, da er ein
hinlängliches Vermögen besaß und das gerade
Gegentheil meines Oheims darstellte. Während
Dieser, von städtischer Abkunft und in einigen

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gruͤnen Geſellen mit ihren Namen begruͤßen zu
koͤnnen; nur hinſichtlich der reichen Kraͤuterwelt
des feuchten oder trockenen Bodens bedauerte ich
erſt jetzt wieder lebhaft die Unterbrechung jener
botaniſchen Anfaͤnge in der Schule, da ich wohl
fuͤhlte, daß fuͤr die Kenntniß dieſer kleinen, aber
weit mannigfaltigeren Welt einige grobe Umriſſe
nicht genuͤgten, und doch haͤtte ich ſo gern die
Namen und Eigenſchaften aller der bluͤhenden
Dinge gekannt, welche den Boden bedeckten.

Auf den erſten Sonntag meiner Anweſenheit
war ſchon ein Beſuch verabredet worden, welchen
wir jungen Leute hinter dem Walde abſtatten
wollten. Dort wohnte auf einem einſamen und
abgelegenen Hofe ein Bruder meiner Muhme mit
einer jungen Tochter, welche mit meinen Baſen
eine eifrige Maͤdchenfreundſchaft pflag. Ihr Va¬
ter war fruͤher Dorfſchulmeiſter geweſen, hatte
aber nach dem Tode ſeiner Frau ſich in jenen
beſchaulichen Waldhof zuruͤckgezogen, da er ein
hinlaͤngliches Vermoͤgen beſaß und das gerade
Gegentheil meines Oheims darſtellte. Waͤhrend
Dieſer, von ſtaͤdtiſcher Abkunft und in einigen

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[51/0061] gruͤnen Geſellen mit ihren Namen begruͤßen zu koͤnnen; nur hinſichtlich der reichen Kraͤuterwelt des feuchten oder trockenen Bodens bedauerte ich erſt jetzt wieder lebhaft die Unterbrechung jener botaniſchen Anfaͤnge in der Schule, da ich wohl fuͤhlte, daß fuͤr die Kenntniß dieſer kleinen, aber weit mannigfaltigeren Welt einige grobe Umriſſe nicht genuͤgten, und doch haͤtte ich ſo gern die Namen und Eigenſchaften aller der bluͤhenden Dinge gekannt, welche den Boden bedeckten. Auf den erſten Sonntag meiner Anweſenheit war ſchon ein Beſuch verabredet worden, welchen wir jungen Leute hinter dem Walde abſtatten wollten. Dort wohnte auf einem einſamen und abgelegenen Hofe ein Bruder meiner Muhme mit einer jungen Tochter, welche mit meinen Baſen eine eifrige Maͤdchenfreundſchaft pflag. Ihr Va¬ ter war fruͤher Dorfſchulmeiſter geweſen, hatte aber nach dem Tode ſeiner Frau ſich in jenen beſchaulichen Waldhof zuruͤckgezogen, da er ein hinlaͤngliches Vermoͤgen beſaß und das gerade Gegentheil meines Oheims darſtellte. Waͤhrend Dieſer, von ſtaͤdtiſcher Abkunft und in einigen 4 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/61>, abgerufen am 06.05.2024.