setzen und ein Glas annehmen, worauf sie sagten: "Und dennoch, könnt ihr glauben, daß dieser Kerl es noch für nöthig befunden hat, heut seine Nase zu schminken?" -- "Das war freilich," erwiederte ich, "ebenso thöricht, als wenn man eine Rose schminken wollte!"
"Und dazu viel gefährlicher," versetzte ein Anderer, "denn eine Rose schminken, heißt ein Werk Gottes verbessern wollen, und der liebe Gott verzeiht! Aber eine rothe Nase schminken, heißt den Teufel verhöhnen, und der verzeiht nicht!"
So ging es fort; sie verhandelten nun seinen Kahlkopf, wobei ich aber bald weit zurückblieb, indem sie über diesen Gegenstand allein wohl zwanzig verschiedene Witze machten, welche in der Phantasie die lächerlichsten Vorstellungen erregten, und von denen einer den andern an Neuheit und Kühnheit der Bilder überbot. Judith lachte, als die Taugenichtse über sich selbst herfuhren, und als der Angegriffene dies sah, suchte er sich aus dem Feuer zu retten, indem er sich gegen sie wendete. Sie saß da in einem schlichten braunen Kleide, die Brust mit einem weißen Halstuche
ſetzen und ein Glas annehmen, worauf ſie ſagten: »Und dennoch, koͤnnt ihr glauben, daß dieſer Kerl es noch fuͤr noͤthig befunden hat, heut ſeine Naſe zu ſchminken?« — »Das war freilich,« erwiederte ich, »ebenſo thoͤricht, als wenn man eine Roſe ſchminken wollte!«
»Und dazu viel gefaͤhrlicher,« verſetzte ein Anderer, »denn eine Roſe ſchminken, heißt ein Werk Gottes verbeſſern wollen, und der liebe Gott verzeiht! Aber eine rothe Naſe ſchminken, heißt den Teufel verhoͤhnen, und der verzeiht nicht!«
So ging es fort; ſie verhandelten nun ſeinen Kahlkopf, wobei ich aber bald weit zuruͤckblieb, indem ſie uͤber dieſen Gegenſtand allein wohl zwanzig verſchiedene Witze machten, welche in der Phantaſie die laͤcherlichſten Vorſtellungen erregten, und von denen einer den andern an Neuheit und Kuͤhnheit der Bilder uͤberbot. Judith lachte, als die Taugenichtſe uͤber ſich ſelbſt herfuhren, und als der Angegriffene dies ſah, ſuchte er ſich aus dem Feuer zu retten, indem er ſich gegen ſie wendete. Sie ſaß da in einem ſchlichten braunen Kleide, die Bruſt mit einem weißen Halstuche
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ſetzen und ein Glas annehmen, worauf ſie ſagten:
»Und dennoch, koͤnnt ihr glauben, daß dieſer Kerl
es noch fuͤr noͤthig befunden hat, heut ſeine Naſe
zu ſchminken?« — »Das war freilich,« erwiederte
ich, »ebenſo thoͤricht, als wenn man eine Roſe
ſchminken wollte!«
»Und dazu viel gefaͤhrlicher,« verſetzte ein
Anderer, »denn eine Roſe ſchminken, heißt ein
Werk Gottes verbeſſern wollen, und der liebe
Gott verzeiht! Aber eine rothe Naſe ſchminken,
heißt den Teufel verhoͤhnen, und der verzeiht nicht!«
So ging es fort; ſie verhandelten nun ſeinen
Kahlkopf, wobei ich aber bald weit zuruͤckblieb,
indem ſie uͤber dieſen Gegenſtand allein wohl
zwanzig verſchiedene Witze machten, welche in der
Phantaſie die laͤcherlichſten Vorſtellungen erregten,
und von denen einer den andern an Neuheit und
Kuͤhnheit der Bilder uͤberbot. Judith lachte, als
die Taugenichtſe uͤber ſich ſelbſt herfuhren, und
als der Angegriffene dies ſah, ſuchte er ſich aus
dem Feuer zu retten, indem er ſich gegen ſie
wendete. Sie ſaß da in einem ſchlichten braunen
Kleide, die Bruſt mit einem weißen Halstuche
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/440>, abgerufen am 23.11.2024.
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