die Judith, welcher die Brüder der Sitte gemäß ein Glas geboten. Sie schien sich ganz allein bei dem Feste umgesehen zu haben und sich nun am besten zu gefallen, die Witze und Verfänglich¬ keiten dieser Herren schlagfertig zurückzugeben und sie in Respect zu halten, wozu es keiner geringen Gewandtheit und Kraft bedurfte. Sie saß eben so lässig da, zurückgelehnt und halb abgewandt und warf ihre Erwiederungen gleichmüthig hin. Die Mönche hatten ihre Flachsbärte abgelegt und die gefärbten Nasen gewaschen; nur der Aelteste, welcher einen angehenden Kahlkopf und eine na¬ türliche Feuernase besaß, prangte noch mit dem hohen Roth derselben. Dies war der Unnützeste und rief mir zu, als ich vorübergehen wollte: "Heda, Grünspecht! wo hinaus?" Ich stand still und erwiederte: "Guter Freund! ihr habt ver¬ gessen, den Zinnober von eurer Nase zu wischen, wie die anderen Herren doch gethan! Ich mache euch hiermit aufmerksam, damit ihr nicht etwa euer Kopfkissen roth macht."
Das Gelächter der Uebrigen nahm mich so¬ gleich in den holden Bund auf; ich mußte mich
die Judith, welcher die Bruͤder der Sitte gemaͤß ein Glas geboten. Sie ſchien ſich ganz allein bei dem Feſte umgeſehen zu haben und ſich nun am beſten zu gefallen, die Witze und Verfaͤnglich¬ keiten dieſer Herren ſchlagfertig zuruͤckzugeben und ſie in Reſpect zu halten, wozu es keiner geringen Gewandtheit und Kraft bedurfte. Sie ſaß eben ſo laͤſſig da, zuruͤckgelehnt und halb abgewandt und warf ihre Erwiederungen gleichmuͤthig hin. Die Moͤnche hatten ihre Flachsbaͤrte abgelegt und die gefaͤrbten Naſen gewaſchen; nur der Aelteſte, welcher einen angehenden Kahlkopf und eine na¬ tuͤrliche Feuernaſe beſaß, prangte noch mit dem hohen Roth derſelben. Dies war der Unnuͤtzeſte und rief mir zu, als ich voruͤbergehen wollte: »Heda, Gruͤnſpecht! wo hinaus?« Ich ſtand ſtill und erwiederte: »Guter Freund! ihr habt ver¬ geſſen, den Zinnober von eurer Naſe zu wiſchen, wie die anderen Herren doch gethan! Ich mache euch hiermit aufmerkſam, damit ihr nicht etwa euer Kopfkiſſen roth macht.«
Das Gelaͤchter der Uebrigen nahm mich ſo¬ gleich in den holden Bund auf; ich mußte mich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0439"n="429"/>
die Judith, welcher die Bruͤder der Sitte gemaͤß<lb/>
ein Glas geboten. Sie ſchien ſich ganz allein<lb/>
bei dem Feſte umgeſehen zu haben und ſich nun<lb/>
am beſten zu gefallen, die Witze und Verfaͤnglich¬<lb/>
keiten dieſer Herren ſchlagfertig zuruͤckzugeben und<lb/>ſie in Reſpect zu halten, wozu es keiner geringen<lb/>
Gewandtheit und Kraft bedurfte. Sie ſaß eben<lb/>ſo laͤſſig da, zuruͤckgelehnt und halb abgewandt<lb/>
und warf ihre Erwiederungen gleichmuͤthig hin.<lb/>
Die Moͤnche hatten ihre Flachsbaͤrte abgelegt und<lb/>
die gefaͤrbten Naſen gewaſchen; nur der Aelteſte,<lb/>
welcher einen angehenden Kahlkopf und eine na¬<lb/>
tuͤrliche Feuernaſe beſaß, prangte noch mit dem<lb/>
hohen Roth derſelben. Dies war der Unnuͤtzeſte<lb/>
und rief mir zu, als ich voruͤbergehen wollte:<lb/>
»Heda, Gruͤnſpecht! wo hinaus?« Ich ſtand ſtill<lb/>
und erwiederte: »Guter Freund! ihr habt ver¬<lb/>
geſſen, den Zinnober von eurer Naſe zu wiſchen,<lb/>
wie die anderen Herren doch gethan! Ich mache<lb/>
euch hiermit aufmerkſam, damit ihr nicht etwa<lb/>
euer Kopfkiſſen roth macht.«</p><lb/><p>Das Gelaͤchter der Uebrigen nahm mich ſo¬<lb/>
gleich in den holden Bund auf; ich mußte mich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[429/0439]
die Judith, welcher die Bruͤder der Sitte gemaͤß
ein Glas geboten. Sie ſchien ſich ganz allein
bei dem Feſte umgeſehen zu haben und ſich nun
am beſten zu gefallen, die Witze und Verfaͤnglich¬
keiten dieſer Herren ſchlagfertig zuruͤckzugeben und
ſie in Reſpect zu halten, wozu es keiner geringen
Gewandtheit und Kraft bedurfte. Sie ſaß eben
ſo laͤſſig da, zuruͤckgelehnt und halb abgewandt
und warf ihre Erwiederungen gleichmuͤthig hin.
Die Moͤnche hatten ihre Flachsbaͤrte abgelegt und
die gefaͤrbten Naſen gewaſchen; nur der Aelteſte,
welcher einen angehenden Kahlkopf und eine na¬
tuͤrliche Feuernaſe beſaß, prangte noch mit dem
hohen Roth derſelben. Dies war der Unnuͤtzeſte
und rief mir zu, als ich voruͤbergehen wollte:
»Heda, Gruͤnſpecht! wo hinaus?« Ich ſtand ſtill
und erwiederte: »Guter Freund! ihr habt ver¬
geſſen, den Zinnober von eurer Naſe zu wiſchen,
wie die anderen Herren doch gethan! Ich mache
euch hiermit aufmerkſam, damit ihr nicht etwa
euer Kopfkiſſen roth macht.«
Das Gelaͤchter der Uebrigen nahm mich ſo¬
gleich in den holden Bund auf; ich mußte mich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/439>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.