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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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reden, diesmal von seiner Forderung abzustehen,
indem man jetzt nicht eingerichtet und aufgelegt
sei, diese Umständlichkeiten zu befolgen. Es ent¬
stand ein großes Gedränge, ohne daß man jedoch
wagte, mit Gewalt durchzukommen. Da erschien
unversehens der Tell, welcher mit seinem Knaben
einsam seines Weges ging. Es war ein berühm¬
ter fester Wirth und Schütze, ein angesehener und
zuverlässiger Mann von etwa vierzig Jahren,
auf welchen die Wahl zum Tell unwillkürlich
und einstimmig gefallen war. Er hatte sich in
die Tracht gekleidet, in welcher sich das Volk die
alten Schweizer ein für allemal vorstellt, roth
und weiß mit vielen Puffen und Litzen, roth und
weiße Federn auf dem eingekerbten roth und
weißen Hütchen. Ueberdies trug er noch eine
seidene Schärpe über der Brust und wenn dies
Alles nichts weniger als dem einfachen Waid¬
mann angemessen war, so zeigte doch der Ernst
des Mannes, wie sehr er das Bild des Helden
in seinem Sinn durch diesen Pomp ehrte; denn in
diesem Sinne war der Tell nicht nur ein schlich¬
ter Jäger, sondern auch ein politischer Schutzpa¬

reden, diesmal von ſeiner Forderung abzuſtehen,
indem man jetzt nicht eingerichtet und aufgelegt
ſei, dieſe Umſtaͤndlichkeiten zu befolgen. Es ent¬
ſtand ein großes Gedraͤnge, ohne daß man jedoch
wagte, mit Gewalt durchzukommen. Da erſchien
unverſehens der Tell, welcher mit ſeinem Knaben
einſam ſeines Weges ging. Es war ein beruͤhm¬
ter feſter Wirth und Schuͤtze, ein angeſehener und
zuverlaͤſſiger Mann von etwa vierzig Jahren,
auf welchen die Wahl zum Tell unwillkuͤrlich
und einſtimmig gefallen war. Er hatte ſich in
die Tracht gekleidet, in welcher ſich das Volk die
alten Schweizer ein fuͤr allemal vorſtellt, roth
und weiß mit vielen Puffen und Litzen, roth und
weiße Federn auf dem eingekerbten roth und
weißen Huͤtchen. Ueberdies trug er noch eine
ſeidene Schaͤrpe uͤber der Bruſt und wenn dies
Alles nichts weniger als dem einfachen Waid¬
mann angemeſſen war, ſo zeigte doch der Ernſt
des Mannes, wie ſehr er das Bild des Helden
in ſeinem Sinn durch dieſen Pomp ehrte; denn in
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[357/0367] reden, diesmal von ſeiner Forderung abzuſtehen, indem man jetzt nicht eingerichtet und aufgelegt ſei, dieſe Umſtaͤndlichkeiten zu befolgen. Es ent¬ ſtand ein großes Gedraͤnge, ohne daß man jedoch wagte, mit Gewalt durchzukommen. Da erſchien unverſehens der Tell, welcher mit ſeinem Knaben einſam ſeines Weges ging. Es war ein beruͤhm¬ ter feſter Wirth und Schuͤtze, ein angeſehener und zuverlaͤſſiger Mann von etwa vierzig Jahren, auf welchen die Wahl zum Tell unwillkuͤrlich und einſtimmig gefallen war. Er hatte ſich in die Tracht gekleidet, in welcher ſich das Volk die alten Schweizer ein fuͤr allemal vorſtellt, roth und weiß mit vielen Puffen und Litzen, roth und weiße Federn auf dem eingekerbten roth und weißen Huͤtchen. Ueberdies trug er noch eine ſeidene Schaͤrpe uͤber der Bruſt und wenn dies Alles nichts weniger als dem einfachen Waid¬ mann angemeſſen war, ſo zeigte doch der Ernſt des Mannes, wie ſehr er das Bild des Helden in ſeinem Sinn durch dieſen Pomp ehrte; denn in dieſem Sinne war der Tell nicht nur ein ſchlich¬ ter Jaͤger, ſondern auch ein politiſcher Schutzpa¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/367>, abgerufen am 23.11.2024.