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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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künden. Denn dies war das Schönste bei dem
Feste, daß man sich nicht an die theatralische Ein¬
schränkung hielt, daß man es nicht auf Ueber¬
raschung absah, sondern sich frei herum bewegte
und wie aus der Wirklichkeit heraus und wie
von selbst an den Orten zusammentraf, wo die
Handlung vor sich ging. Hundert kleine Schau¬
spiele entstanden dazwischen und überall gab es
was zu sehen und zu lachen, während doch bei
den wichtigen Vorgängen die ganze Menge an¬
dächtig und gesammelt zusammentraf. Schon
war unser Zug ansehnlich gewachsen, um mehrere
Berittene und auch durch Fußvolk verstärkt,
welche Alle zu dem Ritterzuge gehörten: wir ka¬
men an eine neue Brücke, die über einen großen
Fluß führt; von der anderen Seite näherte sich
ein großer Theil der Bergfahrt, um das Vieh
nach Hause zu bringen und nachher wieder als
Volk zu erscheinen. Nun war ein knauseriger
Zolleinnehmer auf der Brücke, welcher durchaus
von Kühen und Pferden den Zoll erheben wollte,
gemäß dem Gesetze; er hatte den Schlagbaum
heruntergelassen und ließ sich durchaus nicht be¬

kuͤnden. Denn dies war das Schoͤnſte bei dem
Feſte, daß man ſich nicht an die theatraliſche Ein¬
ſchraͤnkung hielt, daß man es nicht auf Ueber¬
raſchung abſah, ſondern ſich frei herum bewegte
und wie aus der Wirklichkeit heraus und wie
von ſelbſt an den Orten zuſammentraf, wo die
Handlung vor ſich ging. Hundert kleine Schau¬
ſpiele entſtanden dazwiſchen und uͤberall gab es
was zu ſehen und zu lachen, waͤhrend doch bei
den wichtigen Vorgaͤngen die ganze Menge an¬
daͤchtig und geſammelt zuſammentraf. Schon
war unſer Zug anſehnlich gewachſen, um mehrere
Berittene und auch durch Fußvolk verſtaͤrkt,
welche Alle zu dem Ritterzuge gehoͤrten: wir ka¬
men an eine neue Bruͤcke, die uͤber einen großen
Fluß fuͤhrt; von der anderen Seite naͤherte ſich
ein großer Theil der Bergfahrt, um das Vieh
nach Hauſe zu bringen und nachher wieder als
Volk zu erſcheinen. Nun war ein knauſeriger
Zolleinnehmer auf der Bruͤcke, welcher durchaus
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[356/0366] kuͤnden. Denn dies war das Schoͤnſte bei dem Feſte, daß man ſich nicht an die theatraliſche Ein¬ ſchraͤnkung hielt, daß man es nicht auf Ueber¬ raſchung abſah, ſondern ſich frei herum bewegte und wie aus der Wirklichkeit heraus und wie von ſelbſt an den Orten zuſammentraf, wo die Handlung vor ſich ging. Hundert kleine Schau¬ ſpiele entſtanden dazwiſchen und uͤberall gab es was zu ſehen und zu lachen, waͤhrend doch bei den wichtigen Vorgaͤngen die ganze Menge an¬ daͤchtig und geſammelt zuſammentraf. Schon war unſer Zug anſehnlich gewachſen, um mehrere Berittene und auch durch Fußvolk verſtaͤrkt, welche Alle zu dem Ritterzuge gehoͤrten: wir ka¬ men an eine neue Bruͤcke, die uͤber einen großen Fluß fuͤhrt; von der anderen Seite naͤherte ſich ein großer Theil der Bergfahrt, um das Vieh nach Hauſe zu bringen und nachher wieder als Volk zu erſcheinen. Nun war ein knauſeriger Zolleinnehmer auf der Bruͤcke, welcher durchaus von Kuͤhen und Pferden den Zoll erheben wollte, gemaͤß dem Geſetze; er hatte den Schlagbaum heruntergelaſſen und ließ ſich durchaus nicht be¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/366>, abgerufen am 17.05.2024.