und ich im Finstern stand. Ich tappte in das Zimmer, stieß an alle Gegenstände und streute in der Dunkelheit mißmuthig meine Kleider auf dem Boden umher. Und als ich endlich das Kopf¬ ende des Bettes gefunden und mich rasch unter die Decke schwingen wollte, fuhr ich mit den Füßen in einen verwünschten Sack, daß ich sie nicht ausstrecken konnte, sondern in meiner ge¬ waltsamen Bewegung auf das Unangenehmste gehemmt und zusammengebogen wurde. Die Leintücher waren, in Folge einer ländlichsitt¬ lichen Neckerei, so künstlich in einander geschürzt und gefaltet, daß es allen meinen ungeduldigen Bemühungen nicht gelang, sie zu entwirren, und ich mußte mich in der unbequemsten und lächer¬ lichsten Lage von der Welt zum Schlafe zusam¬ menkauern. Allein dieser wollte trotz meiner Müdigkeit sich nicht einfinden; ein ärgerliches und beschämendes Gefühl, daß ich mich in eine schiefe Stellung geworfen, die Besorgniß, wie Anna sich zu all diesem verhalten würde, und das verhexte Bett ließen mich die Augen nur auf Augenblicke schließen, wo dann die unruhigsten
und ich im Finſtern ſtand. Ich tappte in das Zimmer, ſtieß an alle Gegenſtaͤnde und ſtreute in der Dunkelheit mißmuthig meine Kleider auf dem Boden umher. Und als ich endlich das Kopf¬ ende des Bettes gefunden und mich raſch unter die Decke ſchwingen wollte, fuhr ich mit den Fuͤßen in einen verwuͤnſchten Sack, daß ich ſie nicht ausſtrecken konnte, ſondern in meiner ge¬ waltſamen Bewegung auf das Unangenehmſte gehemmt und zuſammengebogen wurde. Die Leintuͤcher waren, in Folge einer laͤndlichſitt¬ lichen Neckerei, ſo kuͤnſtlich in einander geſchuͤrzt und gefaltet, daß es allen meinen ungeduldigen Bemuͤhungen nicht gelang, ſie zu entwirren, und ich mußte mich in der unbequemſten und laͤcher¬ lichſten Lage von der Welt zum Schlafe zuſam¬ menkauern. Allein dieſer wollte trotz meiner Muͤdigkeit ſich nicht einfinden; ein aͤrgerliches und beſchaͤmendes Gefuͤhl, daß ich mich in eine ſchiefe Stellung geworfen, die Beſorgniß, wie Anna ſich zu all dieſem verhalten wuͤrde, und das verhexte Bett ließen mich die Augen nur auf Augenblicke ſchließen, wo dann die unruhigſten
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und ich im Finſtern ſtand. Ich tappte in das
Zimmer, ſtieß an alle Gegenſtaͤnde und ſtreute in
der Dunkelheit mißmuthig meine Kleider auf dem
Boden umher. Und als ich endlich das Kopf¬
ende des Bettes gefunden und mich raſch unter
die Decke ſchwingen wollte, fuhr ich mit den
Fuͤßen in einen verwuͤnſchten Sack, daß ich ſie
nicht ausſtrecken konnte, ſondern in meiner ge¬
waltſamen Bewegung auf das Unangenehmſte
gehemmt und zuſammengebogen wurde. Die
Leintuͤcher waren, in Folge einer laͤndlichſitt¬
lichen Neckerei, ſo kuͤnſtlich in einander geſchuͤrzt
und gefaltet, daß es allen meinen ungeduldigen
Bemuͤhungen nicht gelang, ſie zu entwirren, und
ich mußte mich in der unbequemſten und laͤcher¬
lichſten Lage von der Welt zum Schlafe zuſam¬
menkauern. Allein dieſer wollte trotz meiner
Muͤdigkeit ſich nicht einfinden; ein aͤrgerliches
und beſchaͤmendes Gefuͤhl, daß ich mich in eine
ſchiefe Stellung geworfen, die Beſorgniß, wie
Anna ſich zu all dieſem verhalten wuͤrde, und
das verhexte Bett ließen mich die Augen nur
auf Augenblicke ſchließen, wo dann die unruhigſten
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/233>, abgerufen am 24.11.2024.
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