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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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da ich ihm gute Dienste zu leisten im Stande
wäre, zufolge seiner Erziehung. Es sei dies, er¬
klärte er, das zweite Stadium, wo ich, indessen
ich mich vorläufig immer mehr ausbilde, mich
an vorsichtige Arbeit gewöhnen und zugleich Er¬
sparnisse machen könne, um in einigen Jahren
in die Welt zu gehen, wozu es doch noch zu
früh sei. Er versicherte, daß es nicht die Schlech¬
testen unter den berühmten Künstlern wären,
welche sich durch jahrelange anspruchlosere Arbeit
endlich auf die Höhe der Kunst geschwungen, und
eine mühevolle und bescheidene Betriebsamkeit die¬
ser Art lege manchmal einen tüchtigeren Grund
zur Ausdauer und Unabhängigkeit, als eine vor¬
nehme und ausschließliche Künstlererziehung. Er
habe, sagte er, talentvolle Söhne reicher Eltern
gekannt, die es nur deswegen zu Nichts gebracht
hätten, weil sie nie zu Selbsthülfe und raschem
Erwerb gezwungen gewesen und in ewiger Selbst¬
verhätschelung, falschem Stolze und Sprödigkeit
sich verloren hätten.

Diese Worte waren sehr verständig, obgleich
sie auf einigem Eigennutze beruhen mochten; allein

da ich ihm gute Dienſte zu leiſten im Stande
waͤre, zufolge ſeiner Erziehung. Es ſei dies, er¬
klaͤrte er, das zweite Stadium, wo ich, indeſſen
ich mich vorlaͤufig immer mehr ausbilde, mich
an vorſichtige Arbeit gewoͤhnen und zugleich Er¬
ſparniſſe machen koͤnne, um in einigen Jahren
in die Welt zu gehen, wozu es doch noch zu
fruͤh ſei. Er verſicherte, daß es nicht die Schlech¬
teſten unter den beruͤhmten Kuͤnſtlern waͤren,
welche ſich durch jahrelange anſpruchloſere Arbeit
endlich auf die Hoͤhe der Kunſt geſchwungen, und
eine muͤhevolle und beſcheidene Betriebſamkeit die¬
ſer Art lege manchmal einen tuͤchtigeren Grund
zur Ausdauer und Unabhaͤngigkeit, als eine vor¬
nehme und ausſchließliche Kuͤnſtlererziehung. Er
habe, ſagte er, talentvolle Soͤhne reicher Eltern
gekannt, die es nur deswegen zu Nichts gebracht
haͤtten, weil ſie nie zu Selbſthuͤlfe und raſchem
Erwerb gezwungen geweſen und in ewiger Selbſt¬
verhaͤtſchelung, falſchem Stolze und Sproͤdigkeit
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[198/0208] da ich ihm gute Dienſte zu leiſten im Stande waͤre, zufolge ſeiner Erziehung. Es ſei dies, er¬ klaͤrte er, das zweite Stadium, wo ich, indeſſen ich mich vorlaͤufig immer mehr ausbilde, mich an vorſichtige Arbeit gewoͤhnen und zugleich Er¬ ſparniſſe machen koͤnne, um in einigen Jahren in die Welt zu gehen, wozu es doch noch zu fruͤh ſei. Er verſicherte, daß es nicht die Schlech¬ teſten unter den beruͤhmten Kuͤnſtlern waͤren, welche ſich durch jahrelange anſpruchloſere Arbeit endlich auf die Hoͤhe der Kunſt geſchwungen, und eine muͤhevolle und beſcheidene Betriebſamkeit die¬ ſer Art lege manchmal einen tuͤchtigeren Grund zur Ausdauer und Unabhaͤngigkeit, als eine vor¬ nehme und ausſchließliche Kuͤnſtlererziehung. Er habe, ſagte er, talentvolle Soͤhne reicher Eltern gekannt, die es nur deswegen zu Nichts gebracht haͤtten, weil ſie nie zu Selbſthuͤlfe und raſchem Erwerb gezwungen geweſen und in ewiger Selbſt¬ verhaͤtſchelung, falſchem Stolze und Sproͤdigkeit ſich verloren haͤtten. Dieſe Worte waren ſehr verſtaͤndig, obgleich ſie auf einigem Eigennutze beruhen mochten; allein

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/208>, abgerufen am 02.05.2024.