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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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sich darstellten; die feinen und natürlichen Nie¬
derländer hingegen zerarbeitete ich auf eine gräu¬
liche Weise, und Niemand sah diese Lasterhaftig¬
keit ein.

Doch legte sich durch diese Arbeit in mir ein
Grund edlerer Anschauung, und die schönen und
durchdachten Formen, die ich vor mir hatte, hiel¬
ten dem übrigen Treiben ein wohlthätiges Gegen¬
gewicht und ließen die Ahnung des Besseren nie
ganz in mir verlöschen. Auf der anderen Seite
aber heftete sich an diese gute Seite sogleich wie¬
der ein Nachtheil, indem sich die alte voreilige
Erfindungslust regte und ich, durch die einfache
Größe der klassischen Gegenstände verführt, zu
Hause anfing, selber dergleichen heroische Land¬
schaftsbilder zu entwerfen und diese Thätigkeit
bald in der eigentlichen Arbeitszeit bei dem Mei¬
ster fortsetzte, meine Entwürfe in anspruchsvollem
Format mit der eingelernten Pinselvirtuosität
ausführend. Herr Habersaat hinderte mich in
diesem Thun nicht, sondern sah es vielmehr gern,
da es ihn der weiteren Sorge um zweckdienliche
Vorbilder enthob; er begleitete die ungeheuerlichen

ſich darſtellten; die feinen und natuͤrlichen Nie¬
derlaͤnder hingegen zerarbeitete ich auf eine graͤu¬
liche Weiſe, und Niemand ſah dieſe Laſterhaftig¬
keit ein.

Doch legte ſich durch dieſe Arbeit in mir ein
Grund edlerer Anſchauung, und die ſchoͤnen und
durchdachten Formen, die ich vor mir hatte, hiel¬
ten dem uͤbrigen Treiben ein wohlthaͤtiges Gegen¬
gewicht und ließen die Ahnung des Beſſeren nie
ganz in mir verloͤſchen. Auf der anderen Seite
aber heftete ſich an dieſe gute Seite ſogleich wie¬
der ein Nachtheil, indem ſich die alte voreilige
Erfindungsluſt regte und ich, durch die einfache
Groͤße der klaſſiſchen Gegenſtaͤnde verfuͤhrt, zu
Hauſe anfing, ſelber dergleichen heroiſche Land¬
ſchaftsbilder zu entwerfen und dieſe Thaͤtigkeit
bald in der eigentlichen Arbeitszeit bei dem Mei¬
ſter fortſetzte, meine Entwuͤrfe in anſpruchsvollem
Format mit der eingelernten Pinſelvirtuoſitaͤt
ausfuͤhrend. Herr Haberſaat hinderte mich in
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[170/0180] ſich darſtellten; die feinen und natuͤrlichen Nie¬ derlaͤnder hingegen zerarbeitete ich auf eine graͤu¬ liche Weiſe, und Niemand ſah dieſe Laſterhaftig¬ keit ein. Doch legte ſich durch dieſe Arbeit in mir ein Grund edlerer Anſchauung, und die ſchoͤnen und durchdachten Formen, die ich vor mir hatte, hiel¬ ten dem uͤbrigen Treiben ein wohlthaͤtiges Gegen¬ gewicht und ließen die Ahnung des Beſſeren nie ganz in mir verloͤſchen. Auf der anderen Seite aber heftete ſich an dieſe gute Seite ſogleich wie¬ der ein Nachtheil, indem ſich die alte voreilige Erfindungsluſt regte und ich, durch die einfache Groͤße der klaſſiſchen Gegenſtaͤnde verfuͤhrt, zu Hauſe anfing, ſelber dergleichen heroiſche Land¬ ſchaftsbilder zu entwerfen und dieſe Thaͤtigkeit bald in der eigentlichen Arbeitszeit bei dem Mei¬ ſter fortſetzte, meine Entwuͤrfe in anſpruchsvollem Format mit der eingelernten Pinſelvirtuoſitaͤt ausfuͤhrend. Herr Haberſaat hinderte mich in dieſem Thun nicht, ſondern ſah es vielmehr gern, da es ihn der weiteren Sorge um zweckdienliche Vorbilder enthob; er begleitete die ungeheuerlichen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/180>, abgerufen am 26.11.2024.