denn ungepaart durfte Niemand hinaufgehen. Ich nahm daher Anna bei der Hand und stellte mich in die Reihe, welche sich, von den Musikanten angeführt, in Bewegung setzte. Man spielte einen elendiglichen Trauermarsch, zog nach seinem Takte dreimal auf dem Boden herum, der zum Tanzsaal umgewandelt war, und stellte sich dann in einen großen Kreis. Hierauf traten sieben Paare in die Mitte und führten einen schwer¬ fälligen alten Tanz auf von sieben Figuren mit schwierigen Sprüngen, Kniefällen und Verschlin¬ gungen, wozu schallend in die Hände geklatscht wurde. Nachdem dies Schauspiel seine gehörige Zeit gedauert hatte, erschien der Wirth, ging ein¬ mal durch die Reihen, dankte den Gästen für ihre Theilnahme an seinem Leid und flüsterte hier und dort einem jungen Burschen, daß es Alle sahen, in die Ohren, er möchte sich die Trauer nicht allzusehr zu Herzen gehen und ihn in seinem Schmerze jetzt nur allein und einsam lassen, er empföhle ihm vielmehr, sich nun wieder des Lebens zu freuen. Hierauf schritt er wieder gesenkten Hauptes von dannen und stieg die
denn ungepaart durfte Niemand hinaufgehen. Ich nahm daher Anna bei der Hand und ſtellte mich in die Reihe, welche ſich, von den Muſikanten angefuͤhrt, in Bewegung ſetzte. Man ſpielte einen elendiglichen Trauermarſch, zog nach ſeinem Takte dreimal auf dem Boden herum, der zum Tanzſaal umgewandelt war, und ſtellte ſich dann in einen großen Kreis. Hierauf traten ſieben Paare in die Mitte und fuͤhrten einen ſchwer¬ faͤlligen alten Tanz auf von ſieben Figuren mit ſchwierigen Spruͤngen, Kniefaͤllen und Verſchlin¬ gungen, wozu ſchallend in die Haͤnde geklatſcht wurde. Nachdem dies Schauſpiel ſeine gehoͤrige Zeit gedauert hatte, erſchien der Wirth, ging ein¬ mal durch die Reihen, dankte den Gaͤſten fuͤr ihre Theilnahme an ſeinem Leid und fluͤſterte hier und dort einem jungen Burſchen, daß es Alle ſahen, in die Ohren, er moͤchte ſich die Trauer nicht allzuſehr zu Herzen gehen und ihn in ſeinem Schmerze jetzt nur allein und einſam laſſen, er empfoͤhle ihm vielmehr, ſich nun wieder des Lebens zu freuen. Hierauf ſchritt er wieder geſenkten Hauptes von dannen und ſtieg die
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denn ungepaart durfte Niemand hinaufgehen. Ich
nahm daher Anna bei der Hand und ſtellte mich
in die Reihe, welche ſich, von den Muſikanten
angefuͤhrt, in Bewegung ſetzte. Man ſpielte
einen elendiglichen Trauermarſch, zog nach ſeinem
Takte dreimal auf dem Boden herum, der zum
Tanzſaal umgewandelt war, und ſtellte ſich dann
in einen großen Kreis. Hierauf traten ſieben
Paare in die Mitte und fuͤhrten einen ſchwer¬
faͤlligen alten Tanz auf von ſieben Figuren mit
ſchwierigen Spruͤngen, Kniefaͤllen und Verſchlin¬
gungen, wozu ſchallend in die Haͤnde geklatſcht
wurde. Nachdem dies Schauſpiel ſeine gehoͤrige
Zeit gedauert hatte, erſchien der Wirth, ging ein¬
mal durch die Reihen, dankte den Gaͤſten fuͤr
ihre Theilnahme an ſeinem Leid und fluͤſterte
hier und dort einem jungen Burſchen, daß es
Alle ſahen, in die Ohren, er moͤchte ſich die
Trauer nicht allzuſehr zu Herzen gehen und ihn
in ſeinem Schmerze jetzt nur allein und einſam
laſſen, er empfoͤhle ihm vielmehr, ſich nun wieder
des Lebens zu freuen. Hierauf ſchritt er wieder
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/150>, abgerufen am 23.11.2024.
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