Treppe hinunter, als ob es direkt in den Tarta¬ rus ginge. Die Musik aber ging plötzlich in einen lustigen Hopser über, die Aelteren zogen sich zurück und die Jugend brauste jauchzend und stampfend über den dröhnenden Boden hin. Anna und ich standen, noch immer Hand in Hand, verwundert an einem Fenster und schauten dem dämonischen Wirbel zu. Auf der Straße sahen wir die übrige Jugend des Dorfes dem Geigen¬ klange nachziehen; die Mädchen stellten sich vor die Hausthür, wurden von den Knaben herauf¬ geholt, und wenn sie einen Tanz gethan, hatten sie das Recht erworben, aus den Fenstern die Burschen, die noch unten waren, heraufzurufen. Es wurde Wein gebracht und in allerhand Dach¬ winkeln kleine Trinkstätten hergestellt, und bald verschmolz Alles in Einen rauschenden und toben¬ den Wirbel der Lust, welche sich in ihrem Lärm um so sonderbarer ausnahm, als es Werktag war und das Dorf ringsherum in gewöhnlicher stiller Arbeit begriffen.
Nachdem wir lange Zeit zugeschaut, fort¬ gegangen und wieder gekommen waren, sagte
Treppe hinunter, als ob es direkt in den Tarta¬ rus ginge. Die Muſik aber ging ploͤtzlich in einen luſtigen Hopſer uͤber, die Aelteren zogen ſich zuruͤck und die Jugend brauſte jauchzend und ſtampfend uͤber den droͤhnenden Boden hin. Anna und ich ſtanden, noch immer Hand in Hand, verwundert an einem Fenſter und ſchauten dem daͤmoniſchen Wirbel zu. Auf der Straße ſahen wir die uͤbrige Jugend des Dorfes dem Geigen¬ klange nachziehen; die Maͤdchen ſtellten ſich vor die Hausthuͤr, wurden von den Knaben herauf¬ geholt, und wenn ſie einen Tanz gethan, hatten ſie das Recht erworben, aus den Fenſtern die Burſchen, die noch unten waren, heraufzurufen. Es wurde Wein gebracht und in allerhand Dach¬ winkeln kleine Trinkſtaͤtten hergeſtellt, und bald verſchmolz Alles in Einen rauſchenden und toben¬ den Wirbel der Luſt, welche ſich in ihrem Laͤrm um ſo ſonderbarer ausnahm, als es Werktag war und das Dorf ringsherum in gewoͤhnlicher ſtiller Arbeit begriffen.
Nachdem wir lange Zeit zugeſchaut, fort¬ gegangen und wieder gekommen waren, ſagte
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Treppe hinunter, als ob es direkt in den Tarta¬
rus ginge. Die Muſik aber ging ploͤtzlich in
einen luſtigen Hopſer uͤber, die Aelteren zogen
ſich zuruͤck und die Jugend brauſte jauchzend und
ſtampfend uͤber den droͤhnenden Boden hin. Anna
und ich ſtanden, noch immer Hand in Hand,
verwundert an einem Fenſter und ſchauten dem
daͤmoniſchen Wirbel zu. Auf der Straße ſahen
wir die uͤbrige Jugend des Dorfes dem Geigen¬
klange nachziehen; die Maͤdchen ſtellten ſich vor
die Hausthuͤr, wurden von den Knaben herauf¬
geholt, und wenn ſie einen Tanz gethan, hatten
ſie das Recht erworben, aus den Fenſtern die
Burſchen, die noch unten waren, heraufzurufen.
Es wurde Wein gebracht und in allerhand Dach¬
winkeln kleine Trinkſtaͤtten hergeſtellt, und bald
verſchmolz Alles in Einen rauſchenden und toben¬
den Wirbel der Luſt, welche ſich in ihrem Laͤrm
um ſo ſonderbarer ausnahm, als es Werktag
war und das Dorf ringsherum in gewoͤhnlicher
ſtiller Arbeit begriffen.
Nachdem wir lange Zeit zugeſchaut, fort¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/151>, abgerufen am 23.11.2024.
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