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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Dabei hielten wir Zwei, denen nun erst vergnüg¬
lich zu Muthe wurde, noch eine kleine Mahlzeit
aus der gleichen Schüssel und tranken zusammen
ein Glas Wein.

Auf einmal fing es über unseren Köpfen an
zu brummen und zu quieken. Geige, Baß und
Klarinette wurden angestimmt und ein Waldhorn
erging sich in schwülen, verliebten Tönen. Wäh¬
rend der rüstige Theil der Versammlung aufbrach
und nach dem geräumigen Boden hinaufstieg,
sagte der Schulmeister: "So muß es also doch
getanzt sein? Ich glaubte, dieser Gebrauch wäre
endlich abgeschafft, und gewiß ist dies Dorf das
einzige weit und breit, wo er noch manchmal
geübt wird! Ich ehre das Alte, aber Alles,
was so heißt, ist doch nicht ehrwürdig und taug¬
lich! Indessen mögt Ihr einmal zusehen, Kinder,
damit Ihr später noch davon sagen könnt; denn
hoffentlich wird das Tanzen auf Leichenbegäng¬
nissen endlich doch verschwinden!"

Wir huschten sogleich hinaus, wo auf der
Flur und der Treppe, die nach oben führte, die
Menge sich zu einem Zuge ordnete und paarte,

Dabei hielten wir Zwei, denen nun erſt vergnuͤg¬
lich zu Muthe wurde, noch eine kleine Mahlzeit
aus der gleichen Schuͤſſel und tranken zuſammen
ein Glas Wein.

Auf einmal fing es uͤber unſeren Koͤpfen an
zu brummen und zu quieken. Geige, Baß und
Klarinette wurden angeſtimmt und ein Waldhorn
erging ſich in ſchwuͤlen, verliebten Toͤnen. Waͤh¬
rend der ruͤſtige Theil der Verſammlung aufbrach
und nach dem geraͤumigen Boden hinaufſtieg,
ſagte der Schulmeiſter: »So muß es alſo doch
getanzt ſein? Ich glaubte, dieſer Gebrauch waͤre
endlich abgeſchafft, und gewiß iſt dies Dorf das
einzige weit und breit, wo er noch manchmal
geuͤbt wird! Ich ehre das Alte, aber Alles,
was ſo heißt, iſt doch nicht ehrwuͤrdig und taug¬
lich! Indeſſen moͤgt Ihr einmal zuſehen, Kinder,
damit Ihr ſpaͤter noch davon ſagen koͤnnt; denn
hoffentlich wird das Tanzen auf Leichenbegaͤng¬
niſſen endlich doch verſchwinden!«

Wir huſchten ſogleich hinaus, wo auf der
Flur und der Treppe, die nach oben fuͤhrte, die
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[139/0149] Dabei hielten wir Zwei, denen nun erſt vergnuͤg¬ lich zu Muthe wurde, noch eine kleine Mahlzeit aus der gleichen Schuͤſſel und tranken zuſammen ein Glas Wein. Auf einmal fing es uͤber unſeren Koͤpfen an zu brummen und zu quieken. Geige, Baß und Klarinette wurden angeſtimmt und ein Waldhorn erging ſich in ſchwuͤlen, verliebten Toͤnen. Waͤh¬ rend der ruͤſtige Theil der Verſammlung aufbrach und nach dem geraͤumigen Boden hinaufſtieg, ſagte der Schulmeiſter: »So muß es alſo doch getanzt ſein? Ich glaubte, dieſer Gebrauch waͤre endlich abgeſchafft, und gewiß iſt dies Dorf das einzige weit und breit, wo er noch manchmal geuͤbt wird! Ich ehre das Alte, aber Alles, was ſo heißt, iſt doch nicht ehrwuͤrdig und taug¬ lich! Indeſſen moͤgt Ihr einmal zuſehen, Kinder, damit Ihr ſpaͤter noch davon ſagen koͤnnt; denn hoffentlich wird das Tanzen auf Leichenbegaͤng¬ niſſen endlich doch verſchwinden!« Wir huſchten ſogleich hinaus, wo auf der Flur und der Treppe, die nach oben fuͤhrte, die Menge ſich zu einem Zuge ordnete und paarte,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/149>, abgerufen am 05.05.2024.