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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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welche sich massenhaft mit ihrem schwarzen Schat¬
ten vom Himmel sonderte, der sie am Rande mit
einem blassen Dämmergürtel umgab. Ich beach¬
tete dieses Alles, lauschte den Worten meiner
Begleiterin und bedachte zugleich für mich meine
Freude und meinen Stolz, eine Geliebte am
Arme zu führen, als welche ich sie ein für alle¬
mal betrachtete. Wir sprachen nun ganz munter
und aufgeräumt von tausend Dingen, von gar
Nichts, dann wieder mit wichtigen Worten von
unseren gemeinsamen Verwandten und ihren Ver¬
hältnissen, wie alte kluge Leute. Je näher wir
ihrer Wohnung kamen, deren Licht bereits in der
Tiefe glühte wie ein Leuchtwurm, desto sicherer
und lauter wurde Anna, ihre Stimme bimmelte
unaufhörlich und fein, gleich einem fernen Ves¬
perglöckchen, ich setzte ihren artigen Einfällen die
besten meiner eigenen Erfindung entgegen, und
doch hatten wir uns den ganzen Abend noch nie
unmittelbar angeredet und das Du war seit jenem
einen Male nie mehr zwischen uns gefallen. Wir
hüteten es, wenigstens ich, im Herzen gleich einem
goldenen Sparpfennige, den man auszugeben gar

welche ſich maſſenhaft mit ihrem ſchwarzen Schat¬
ten vom Himmel ſonderte, der ſie am Rande mit
einem blaſſen Daͤmmerguͤrtel umgab. Ich beach¬
tete dieſes Alles, lauſchte den Worten meiner
Begleiterin und bedachte zugleich fuͤr mich meine
Freude und meinen Stolz, eine Geliebte am
Arme zu fuͤhren, als welche ich ſie ein fuͤr alle¬
mal betrachtete. Wir ſprachen nun ganz munter
und aufgeraͤumt von tauſend Dingen, von gar
Nichts, dann wieder mit wichtigen Worten von
unſeren gemeinſamen Verwandten und ihren Ver¬
haͤltniſſen, wie alte kluge Leute. Je naͤher wir
ihrer Wohnung kamen, deren Licht bereits in der
Tiefe gluͤhte wie ein Leuchtwurm, deſto ſicherer
und lauter wurde Anna, ihre Stimme bimmelte
unaufhoͤrlich und fein, gleich einem fernen Ves¬
pergloͤckchen, ich ſetzte ihren artigen Einfaͤllen die
beſten meiner eigenen Erfindung entgegen, und
doch hatten wir uns den ganzen Abend noch nie
unmittelbar angeredet und das Du war ſeit jenem
einen Male nie mehr zwiſchen uns gefallen. Wir
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[105/0115] welche ſich maſſenhaft mit ihrem ſchwarzen Schat¬ ten vom Himmel ſonderte, der ſie am Rande mit einem blaſſen Daͤmmerguͤrtel umgab. Ich beach¬ tete dieſes Alles, lauſchte den Worten meiner Begleiterin und bedachte zugleich fuͤr mich meine Freude und meinen Stolz, eine Geliebte am Arme zu fuͤhren, als welche ich ſie ein fuͤr alle¬ mal betrachtete. Wir ſprachen nun ganz munter und aufgeraͤumt von tauſend Dingen, von gar Nichts, dann wieder mit wichtigen Worten von unſeren gemeinſamen Verwandten und ihren Ver¬ haͤltniſſen, wie alte kluge Leute. Je naͤher wir ihrer Wohnung kamen, deren Licht bereits in der Tiefe gluͤhte wie ein Leuchtwurm, deſto ſicherer und lauter wurde Anna, ihre Stimme bimmelte unaufhoͤrlich und fein, gleich einem fernen Ves¬ pergloͤckchen, ich ſetzte ihren artigen Einfaͤllen die beſten meiner eigenen Erfindung entgegen, und doch hatten wir uns den ganzen Abend noch nie unmittelbar angeredet und das Du war ſeit jenem einen Male nie mehr zwiſchen uns gefallen. Wir huͤteten es, wenigſtens ich, im Herzen gleich einem goldenen Sparpfennige, den man auszugeben gar

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/115>, abgerufen am 23.11.2024.